Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - A20
DOI: 10.1055/s-0036-1571417

Neuigkeiten zur Anwendung von Arzneimitteln in der Schwangerschaft

C Schaefer 1
  • 1Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie, Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin

Valproinsäure ist das stärkste Teratogen unter den Antiepileptika und der einzige Wirkstoff, der das Risiko für Neuralrohrdefekte 12 – 20-fach erhöht. Seit 2015 ist Valproinsäure bei Frauen im reproduktionsfähigen Alter kein Erstlinienpräparat mehr. Unter systemischer Aknebehandlung mit dem teratogenen Isotretinoin werden trotz etabliertem Verhütungsprogramm weiterhin regelmäßig Schwangerschaften registriert. Häufig geben die Frauen an, verstanden zu haben, dass sie nicht schwanger werden könnten und deshalb auf Verhütungsmaßnahmen verzichtet hätten. Auch Schwangerschaften unter Sartanbehandlung werden weiterhin beobachtet, obwohl deren fetale Nephrotoxizität nach dem 1. Trimenon mit Oligo/Anhydramnion und Folgeschäden erwiesen ist. Nicht selten werden Frauen mit rheumatischen Erkrankungen unter Low-dose MTX oder TNF-α-Inhibitoren ungeplant schwanger. Neue Studienergebnisse deuten kein hohes teratogenes Risiko an, erlauben aber insbesondere beim MTX keinesfalls, auf Verhütungsmaßnahmen zu verzichten. Mehrwöchige Behandlung mit Paracetamol in der Schwangerschaft soll Hodenhochstand, obstruktive Atemwegserkrankungen und Verhaltensabweichungen bei den Kindern verursachen. Inkonsistenz der Studienergebnisse und methodische Unzulänglichkeiten bei einigen dieser Studien haben den Konsens bisher nicht erschüttert, Paracetamol als Schmerzmittel der Wahl in der gesamten Schwangerschaft anzusehen. Ibuprofen als am besten untersuchtes NSAID ist bis Woche 28 eine Alternative. Trotz der seit 2008 von der EMA und seit 2014 von der FDA geforderten differenzierteren Beschreibung von Schwangerschaftsrisiken in Fachinformationen wird eine individuelle Beratung der Schwangeren auch in Zukunft unverzichtbar sein. Dabei muss unterschieden werden, ob es sich um die Planung einer Therapie handelt oder das Risikomanagement nach Exposition in einer ungeplanten Schwangerschaft. Das Pharmakovigilanzzentrum Embryonaltoxikologie berät täglich bis zu 80 solcher Anfragen aus allen Bundesländern. Detaillierte Informationen zur Verträglichkeit der wichtigsten 420 Wirkstoffe bietet das Institut auch unter www.embryotox.de mit App-Version und Online-Fragebogen-System. www.embryotox.de wird täglich von bis zu 8000 Besuchern aufgerufen. Eine an die Beratung gekoppelte Dokumentation von Schwangerschaftsverläufen ermöglicht Beobachtungsstudien zu Medikamenten mit unzureichender Kenntnis ihrer Auswirkungen auf das Ungeborene. Derzeit sind Studien zur Sicherheit von NSAID speziell im 2. Trimenon und zu Antihypertensiva in Vorbereitung.