Rofo 2016; 188 - Highlight301_5
DOI: 10.1055/s-0036-1581692

Was bewegt den Rückenschmerz-Patienten? Problemstellungen in der allgemeinmedizinischen Praxis

A Becker 1
  • 1Philipps-Universität Marburg, Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Marburg

Kurzfassung:

Etwa jeder 10. Patient in hausärztlichen Praxen leidet unter Rückenschmerzen. Die Mehrheit der akuten Schmerzpatienten profitiert von einer symptomatischen Therapie ohne weitere Diagnostik. Bei subakuten und chronischen Rückenschmerzen wird die frühzeitige Einbindung von Psychotherapeuten und/oder multimodale Therapie empfohlen. Trotz anscheinend klarer Empfehlungen zeigen jüngste Versorgungsanalysen keine Verbesserung der Versorgungssituation. Für die Allgemeinmedizin finden sich zahlreiche Barrieren, die die Umsetzung aktueller Leitlinien erschweren: (1) Die Abkehr von lang etablierten Verhaltensweisen (ohne Alternativen) ist schwierig und erfordert kommunikatives Geschick. (2) Ärztliche Leistungen sind zu wenig aufeinander abgestimmt und eine diagnoseorientierte, technikaffine Behandlung wird besser vergütet als interventionsarme Behandlungen. (3) Multimodale Therapieplätze sind selten und bieten nur temporäre Entlastung. (4) Die Wahl einer individuellen Behandlungsstrategie ist schwierig. Bildgebende Verfahren zeigen mit zunehmenden Alter Veränderungen, deren Bedeutung für das aktuelle Schmerzgeschehen jedoch unklar ist. Effektive Strategien zur Therapieallokation fehlen jedoch. Patienten mit chronischen Rückenschmerzen brauchen v.a. eine langfristige Begleitung, um Selbstmanagement zu fördern und Zustandsverschlechterungen oder Krankheitsfolgen zu verhindern – eine Aufgabe, die Ärzten wie Patienten ein Umdenken abverlangt, das für beide Seiten eine große Herausforderung darstellt.

Lernziele:

– Ziel der allgemeinärztlichen Behandlung ist nicht die Diagnosestellung, sondern eine Triage nach spezifischen und nicht spezifischen Beschwerden sowie Schutz vor Fehlversorgung.
– Der Einsatz diagnostischer Strategien orientiert sich an der Behandlungskonsequenz und ist nur bei V.a. interventionsbedürftigen Organpathologien gegeben.
– Chronisch kranke Schmerzpatienten brauchen langfristige Versorgungskonzepte, die in der aktuellen Versorgungslandschaft nicht abgebildet sind.