Rofo 2016; 188 - WISS308_2
DOI: 10.1055/s-0036-1581912

Ressourcen und Belastungen im Arbeitsalltag niedergelassener Radiologen

H Lorch 1
  • 1Universitätsklinikum Schleswig-Holstein; Universität Wuppertal, Institut für Radiologie; Institut für Arbeits- und Organisationspsychologie, Aschaffenburg

Zielsetzung:

Ein ausgewogenes Verhältnis von beruflichen Belastungen und Ressourcen trägt zu einer gelingenden Work-life-Balance bei. Die Studie untersucht das Vorhandensein und die Bedeutung berufsspezifischer Belastungen und Ressourcen bei niedergelassenen Radiologen.

Material und Methodik:

In einer qualitativen Studie wurden zwölf leitfadengestütze Interviews mit niedergelassenen Radiologen geführt, transkribiert und ausgewertet. Die Stichprobe wurde nach der Methode des iterativen Sampling ausgewählt, die Datenerhebung und Auswertung erfolgte nach dem qualitativen Forschungsparadigma der Grounded Theory.

Ergebnisse:

Die wichtigsten Ressourcen für niedergelassene Radiologen sind die Inhalte und Charakteristika des Fachs Radiologie. Die Tätigkeit des Radiologen wird als positive intellektuelle Herausforderung empfunden. Technische Entwicklungen sowie Zuweiser- und Patientenkontakt werden – je nach Art und Qualität der Kontakte – ambivalent erlebt. Wirtschaftlicher Druck wird von vielen Radiologen als bedeutsamer Belastungsfaktor empfunden, da guten Verdienstmöglichkeiten starke Zwänge und Abhängigkeiten gegenüberstehen, die zu Erpressbarkeit und moralischen Dilemmata führen können. Neben dem wirtschaftlichen Druck wurde Zeitnot als bedeutendster Belastungsfaktor angegeben, der den Ressourcencharakter der genuin radiologischen Tätigkeit bedroht.

Schlussfolgerungen:

Wirtschaftlicher Druck und Zeitnot sind die bedeutsamsten beruflichen Belastungsfaktoren für niedergelassene Radiologen. Bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen und bei den Verhandlungen mit den Kostenträgern sollte darauf geachtet werden, dass realistische Erwartungen an die niedergelassenen Radiologen gerichtet werden, welche die wichtigste Ressource der Radiologen – die radiologische Arbeit an sich – nicht beeinträchtigen. Die allgemeine berufspolitische Forderung nach mehr „Sichtbarkeit“ des Radiologen ist vor dem Hintergrund hoher Untersuchungsfrequenzen und dem resultierenden Zeitdruck in der ambulanten Radiologie kritisch zu hinterfragen.