Z Gastroenterol 2016; 54 - F2
DOI: 10.1055/s-0036-1582089

Fulminante Erstmanifestation eines M. Wilson mit gutem Ausgang

FP Reiter 1, C Steib 1, R Zachoval 2, EN de Toni 1, A Benesic 1, J Omary 1, SD Hohenester 1, M Guba 2, 3, G Sauter 1, K Parhofer 1, AL Gerbes 1, GU Denk 1, 2
  • 1Klinikum der Universität München-Großhadern, Medizinische Klinik II, Leber Centrum München
  • 2Klinikum der Universität München-Großhadern, Transplantationszentrum München der LMU
  • 3Klinikum der Universität München-Großhadern, Klinik für Allgemeine, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß- und Thoraxchirurgie

Hintergrund: Der M. Wilson ist eine seltene angeborene Kupferstoffwechselstörung, die vor allem die Leber und das Nervensystem betrifft. Ein Großteil der Erkrankten entwickelt erst allmählich Symptome einer Leber- bzw. Nervenerkrankung. Bei einzelnen Patienten kommt es zu einer akuten, fulminanten Erstmanifestation mit den Zeichen eines akuten Leberversagens mit meist infaustem Ausgang, wenn keine Lebertransplantation erfolgt.

Methoden: Wir präsentieren den Fall einer 18-jährigen Frau, die bei sich einen Sklerenikterus bemerkte. Kurz darauf synkopierte sie und wurde in ein heimatnahes Akutkrankenhaus aufgenommen. Dort wurden eine Anämie, ein Ikterus und eine eingeschränkte Synthesefunktion der Leber festgestellt. Die Patientin wurde unter der Verdachtsdiagnose eines sich entwickelnden Leberversagens zeitnah in unsere Klinik verlegt. Es bestand Impfschutz gegen Hepatitis A und B und kein übermäßiger Alkoholkonsum.

Ergebnisse: Bei Aufnahme in unsere Klinik sahen wir eine Patientin in reduziertem Allgemein- und gutem Ernährungszustand ohne Zeichen einer hepatischen Enzephalopathie. Es zeigte sich ein deutlicher Ikterus (Bilirubin 7,2 mg/dl), eine reduzierte Synthesefunktion der Leber (Quick 42%) und eine nicht messbare Aktivität der alkalischen Phosphatase im Serum (< 20 U/l). Die GPT-Aktivität war niedrig normal (8 U/l), die der LDH auf 355 U/l erhöht. Coeruloplasmin im Serum lag unter der Nachweisgrenze (< 0,06 g/l). Es bestand eine Coombs-negative hämolytische Anämie (Hb 6,2 g/dl). Unter der Vorstellung einer fulminanten Erstmanifestation eines M. Wilson mit akuter hepatischer Dekompensation erfolgten Vorbereitungen für eine Lebertransplantation, jedoch noch keine Listung. Bei Aufnahme lag der Wilson-Prognose-Index nach Dhawan et al. bei 11 Punkten, fiel jedoch wenig später auf 10 Punkte, also knapp unterhalb der Grenze von 11 Punkten, oberhalb der mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Versterben ohne Lebertransplantation auszugehen ist. Wir begannen eine Kupferentzugsbehandlung mit D-Penicillamin unter Überwachung von Leberfunktion und Neurologie. Dabei kam es zu einer langsamen Rekompensation der Leberfunktion. Die Diagnose des M. Wilson wurde im weiteren Verlauf genetisch bestätigt, andere Lebererkrankungen fanden sich nicht. Ein knappes Jahr nach diesem Ereignis ist die Patientin beschwerdefrei und die Leberfunktion bis auf geringe Erhöhungen der Transaminasen und der GGT unauffällig.

Schlussfolgerung: Der M. Wilson ist eine seltene Ursache des akuten Leberversagens. Ein M. Wilson mit hepatischer Dekompensation ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, die in einem Zentrum mit der Möglichkeit zur Lebertransplantation behandelt werden muss. Die Akutdiagnose ist oft nicht einfach, da zahlreiche diagnostische Parameter nicht unmittelbar zur Verfügung stehen. Die Konstellation eines akuten Leberversagens mit hämolytischenr Anämie und erniedrigter Aktivität der alkalischen Phosphatase im Serum sollte insbesondere in der Adoleszenz und im frühen Erwachsenenalter an eine fulminante Erstmanifestation eines M. Wilson denken lassen. Richtungsweisend können ferner eine Verminderung des Coeruloplasmins sein. Der Wilson-Prognoseindex nach Dhawan et al. hat sich in diesem Fall als erfreulich zuverlässig erwiesen.

Literatur:

EASL Clinical Practice Guidelines: Wilson's disease. J Hepatol 2012; 56: 671 – 685.

Dhawan et al. Liver Transplant 2005; 11: 441 – 448.