Z Gastroenterol 2016; 54 - F19
DOI: 10.1055/s-0036-1582106

Fallbericht eines akuten Leberversagens durch Budd-Chiari-Syndrom als schwere Nebenwirkung von Dienogest/Ethinylestradiol

S Schlosser 1, S Schmid 1, M Selgrad 1, K Weigand 1, C Gollwitzer 2, J Menzel 2, M Müller-Schilling 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Regensburg
  • 2Medizinische Klinik II, Klinikum Ingolstadt

Hintergrund: Das akute Leberversagen ist gemäß der American Association for the Study of Liver Diseases (AASLD) definiert als schwere Leberfunktionsstörung ohne vorbestehende chronische Lebererkrankung. Dieses schwerwiegende Erkrankungsbild ist gekennzeichnet durch Ikterus, hepatische Enzephalopathie sowie Gerinnungsstörung (INR > 1,5) sowie, welche kürzer als 26 Wochen bestehen. Frauen sind mit 52 – 63% etwas häufiger als Männer betroffen. Die Ursachen sind vielfältig. Daher ist eine genaue Anamnese erforderlich. Eine toxische Genese, meist durch Paracetamol, liegt der Erkrankung am häufigsten zugrunde. Wir zeigen hier den Fall einer 20-jährigen Patientin mit akutem Leberversagen auf Boden eines Budd-Chiari-Syndroms als schwere Nebenwirkung von Dienogest/Ethinylestradiol.

Fallbericht: Eine 20-jährige Physiotherapeutin stellte sich Anfang Dezember bei ihrem Hausarzt mit seit vier Wochen progredienter Müdigkeit, anhaltendem Völlegefühl sowie Zunahme des Bauchumfanges vor. Initial war den Symptomen eine kurzzeitige Episode von Übelkeit und Erbrechen vorangegangen. Vorerkrankungen waren nicht bekannt. Die Patientin nahm bis auf Sibilla® (Dienogest 2 mg, Ethinylestradiol 0,03 mg), ein seit 2012 zugelassenes Kontrazeptivum, keine Dauermedikation ein. Selten konsumiere sie Alkohol. Der Onkel war in jungen Jahren bei V.a. Lungenembolie verstorben.

In der körperlichen Untersuchung zeigte sich ein Sklerenikterus. Laborchemisch waren erhöhte Leberparameter und eine eingeschränkte Lebersynthese auffällig (GOT 41 U/l +, GPT 36 U/l +, AP 106 U/l, CHE 5443 U/l -, LDH 200 U/l, Lipase 72 U/l, Bilirubin (ges.) 2,31 mg/dl +, Bilirubin (direkt) 1,5 mg/dl, Bilirubin (indirekt) 0,81 mg/dl, Albumin 22,8 g/dl -, Quick 66% -, INR 1,26). Sonographisch war ein 4-Quadrantenaszites nachweisbar. Es erfolgte eine Überweisung an das Klinikum Ingolstadt. Hier ergab sich in der Duplexsonografie der Verdacht eines akuten Budd-Chiari-Syndroms mit Verschluss der linken und rechten Lebervene, welcher sich CT-morphologisch bestätigte. Eine Vollantikoagulation mit Heparin wurde begonnen. Bei bereits deutlichem Leberschaden wurde die Patientin an das Transplantationszentrum Universitätsklinikum Regensburg verlegt und dem Transplantations-Team vorgestellt. Differentialdiagnostisch konnten andere Lebererkrankungen sowie eine Thrombophilie ausgeschlossen werden. Ösophagusvarizen waren in der Gastroskopie nicht nachweisbar. Aufgrund fehlender Auflösung der Thromben unter Vollantikoagulation und zunehmender Einschränkung der Lebersynthese mit einem minimalen Quick-Wert von 36% wurde die Indikation zur Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) gestellt. Echokardiographisch konnte eine Trikuspidalinsuffizienz ausgeschlossen werden. Im Rahmen der TIPS-Anlage konnte zusätzlich eine Teilthrombose der Pfortader festgestellt werden. Nach Rekanalisation kam es im weiteren kurzfristigen Verlauf unter Fortsetzung der Antikoagulation bei gutem klinischem Befinden zur Normalisierung der Leberwerte. Regelmäßige initial tägliche sonographische Kontrollen des TIPS zeigten eine gute Funktion.

Schlussfolgerung: Dies ist der erste Fall eines akuten Leberversagen auf dem Boden eines akuten Budd-Chiari-Syndroms unter Einnahme von Sibilla® Dienogest 2 mg, Ethinylestradiol 0,03 mg. Im Falle der Einnahme eines Kontrazeptivums sollte bei Patientinnen mit Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit und Völlegefühl eine Leberfunktionsstörung in Betracht gezogen werden und entsprechende laborchemische und sonographische Diagnostik erfolgen. Eine frühe Überweisung an ein Transplantationszentrum ist im Falle eines akuten Leberversagen auf Boden eines akuten Budd-Chiari-Syndroms aufgrund der möglichen Dynamik mandatorisch.