Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - A13
DOI: 10.1055/s-0036-1583564

Schwere postpartale Blutungskomplikation bei peripartal erworbener Hemmkörperhämophilie bei Drogenabusus

A Simon 1, E Schleußner 1, T Groten 1
  • 1Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Jena

Fragestellung: Die erworbene Hämophilie A ist eine seltene Autoimmunerkrankung mit Bildung von Autoantikörpern gegen Gerinnungsfaktor VIII. Klinisch imponieren Weichteilblutungen und eine isoliert verlängerte aPTT bei erniedrigter Faktor-VIII-Aktivität bei Patienten mit vorher unauffälliger Hämostase und Familienanamnese. Häufig tritt die Erkrankung im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft, Autoimmunerkrankungen, Malignomen, sowie bei Drogenabusus, Infektionen oder Atemwegserkrankungen auf. In bis zu 50% der Fälle ist die Ursache unklar. Die Diagnose wird oft erst im Rahmen schwerer Blutungskomplikationen gestellt. Die Therapie erfolgt symptomatisch durch die Gabe von rekombinantem Faktor VIIa (NovoSeven®) oder aktivierter Prothrombinkomplex (FEIBA®). Eine Elimination der Antikörper durch immunsuppressive Therapie (Kortikosteroide, Cyclophosphamid, Rituximab) kann zusätzlich notwendig sein.

Methodik: Falldarstellung.

Ergebnisse: 31-jährige Patientin mit unauffälligem Schwangerschaftsverlauf und Spontanpartus in der 37. SSW mit Atonie II° und Scheidenriss extra muros. Seit 2009 besteht bei der Patientin ein Crystalabusus. Bei anhaltender vaginaler Blutung erfolgte am ersten postpartalen Tag die Curettage sowie 3-malige Nahtrevision des Scheidenrisses sowie Ausräumung eines Scheidenhämatoms rechts. In der Labordiagnostik imponierte ein FVIII-Defizit. Im Verlauf erfolgte die Transfusion von 10 Erythrozytenkonzentraten, FFP's sowie die Gabe von Faktor VIII, AT-III und PPSB ohne Stabilisierung des Hb. 12 Tage postpartal erfolgte bei anhaltender vaginaler Blutung die Verlegung zu uns. In der Laborkontrolle zeigte sich eine erhöhte PTT (108 s) bei stabilem Quick, erniedrigter FXIII (84%) und FVIII (2,1%) sowie der Nachweis von Hemmkörpern gegen Faktor VIII. Auch bei dem in die Kinderklinik verlegten Kind zeigte sich eine erniedrigte Faktor VIII Aktivität bei Hemmkörpernachweis, die sich im Verlauf spontan normalisierte. Bei anhaltender überregelstarker Blutung mit Koagelabgang begannen wir bei V.a. Hemmkörperhämophilie umgehend mit der Gabe von Cyklokapron und Prednisolon sowie einmalig FVIII. Unter EK-Gabe und rekombinantem Faktor VII (Novoseven) zeigte sich ein Anstieg der PTT, so dass eine erneute Scheidennahtrevision erfolgen konnte. Postoperativ erfolgte die Verlegung in die Klinik für Hämatologie zur weiteren Abklärung. Unter Fortsetzung der Prednisolon- und Cyklokaprontherapie sowie weiteren Gabe von Novoseven und Transfusion von EKs zeigte sich die Blutungssymptomatik langsam regredient. Bei anhaltend positivem Bethesda-Test wurde schließlich Behandlung mit Rituximab begonnen. Nach 3 Gaben Rituximab war der Faktor VIII im mit 102% im Normbereich.

Zusammenfassung: Bei postpartalen Blutungskomplikationen ist auch bei unauffälligen Patientinnen eine Hämophilie als Ursache auszuschließen. Möglicherweise insbesondere bei bestehendem Drogenabusus. Die frühe Diagnosestellung der erworbenen Hämophilie A ist die Voraussetzung für die adäquate Behandlung der Blutung. Auch das Kind sollte in diesen Fällen untersucht werden.