Zeitschrift für Phytotherapie 2016; 37 - V05
DOI: 10.1055/s-0036-1584430

Phytotherapie bei Kindern im Spannungsfeld zwischen Erfahrung und Evidenz

U Kastner 1
  • 1Wien

Phytopharmaka zählen in der Kinderheilkunde zu denjenigen Medikamenten, die in der täglichen Praxis zunehmend an Bedeutung gewinnen. Seit mehr als 100 Jahren werden Drogen oder deren Zubereitungen unter kontrollierten Bedingungen gewonnen und in Verkehr gebracht. Sie sind zu fixen Bestandteilen in der Therapie von Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter geworden, nicht nur im Rahmen der Selbstmedikation, sondern auch der Schulmedizin. Die häufigsten Erkrankungen in dieser Population sind viraler Genese und Befindlichkeitsstörungen, die einer hohen Selbstheilungsrate unterliegen, und dennoch können Arzneimittel pflanzlichen Ursprungs den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen, im besten Falle verkürzen und Komplikationen verhindern.

Hinweise auf Wirksamkeit und Sicherheit für diese Personengruppe leiten sich zumeist aus der traditionellen Verwendung und der individuellen ärztlichen Erfahrung ab, zunehmend weniger jedoch aus neuen Daten von kontrollierten klinischen Studien. Die durch die aktuellen Vorgaben der EU (EG-Verordnung Nr. 1901/2006 über Kinderarzneimittel) geforderten Arzneimittelstudien an Kindern sind sowohl für die Hersteller als auch für universitäre Einrichtungen schwierig geworden, nicht nur aus organisatorischen, auch aus finanziellen Gründen. Das Arzneimittelgesetz listet für die Prüfzentren unzählige, teils kaum mehr erfüllbare Pflichten und Verantwortlichkeiten auf, finanzielle Unterstützungen sind aus öffentlicher Hand nur selten vorgesehen. Und dennoch lassen immer wieder neue Arzneimittelstudien an Kindern aufhorchen, so z.B. zu Pelargonium sidoides, Hedera helix oder Ginkgo biloba. Hinzu kommt, dass phytochemische und pharmakologische Forschungsergebnisse neue Erkenntnisse liefern, die uns traditionelles Wissen mit den „Augen der Evidenz“ neu beurteilen lassen.

Durch gemeinsame Anstrengungen aller Disziplinen sollte jedenfalls weiter versucht werden, den Ansprüchen der Gesetzgebung als auch vor allem den Bedürfnissen der zu behandelnden pädiatrischen Population gerecht zu werden und die Phytotherapie für diese Altersgruppe in Zukunft zu erhalten und attraktiv und sicher zu gestalten.