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DOI: 10.1055/s-0036-1584432
Aktuelles zu Phytopharmaka in den Leitlinien – eine Standortbestimmung
Medizinische Leitlinien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Ärzte zu medizinischen Themen. Leitlinien haben den Zweck, die wissenschaftliche Evidenz und die vorhandene Erfahrung zu medizinischen Themen zusammenzufassen und das aktuelle Vorgehen der Wahl zu definieren. In Deutschland werden ärztliche Leitlinien von den wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften und deren Dachgesellschaft Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) entwickelt und verbreitet. In der AWMF sind derzeit 171 wissenschaftliche Fachgesellschaften aus allen Bereichen der Medizin zusammengeschlossen. Bis 2013 war allerdings keine Gesellschaft aus dem Bereich der Naturheilkunde oder Phytotherapie Mitglied, was weitreichende Folgen für deren angemessene Repräsentation in den AWMF-Leitlinien hatte, die nur durch Zufall von gewogenen Vertretern anderer Fachgesellschaften erfolgte – vor allem aber nicht erfolgte.
Zur Verbesserung dieser aus der Sicht der Phytotherapie so nicht tragbaren Situation sind seit dem Jahr 2011 zwei entscheidende Dinge geschehen: In Kooperation mit der Gesellschaft für Phytotherapie, der Deutschen Gesellschaft für Naturheilkunde und dem Forum universitärer Arbeitsgruppen für Komplementärmedizin wurde 2011, gefördert von der Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung, die Arbeitsgruppe „Naturheilkunde und Komplementärmedizin in medizinischen Leitlinien“ am Lehrstuhl für Naturheilkunde der Universität Duisburg-Essen gegründet. Ende des Jahres 2013 erfolgte außerdem die Aufnahme der Gesellschaft für Phytotherapie in die AWMF. So ist es nun möglich, sich direkt an die Leitlinienkoordinatoren, die Fachgesellschaften und die AWMF zu wenden, wenn eine Überarbeitung oder die Neubearbeitung einer Leitlinie geplant ist, um dann aktiv einen eigenen Fachvertreter zu entsenden. Unmittelbarer als bei den Monografien des HMPC kann mit ansprechender Forschung Einfluss auf die Gestaltung von medizinischen Leitlinien der Zukunft genommen werden. Notwendige Bedingung hierfür – die „Währung der AWMF“ – ist eine ausreichende Evidenz in qualitativ ansprechenden Studien. Es ist gelungen, die Phytotherapie mit positiven Statements in verschiedenen S3-Leitlinien und zuletzt sogar in Nationale Versorgungsleitlinien (NVL) zu implementieren. Beispiele hierfür sind Leitlinien für das Reizdarmsyndrom (S3), Colitis ulcerosa (S3), Depression (S3), Demenz (S3) oder nichtspezifischen Rückenschmerz (NVL).
Insgesamt hat das konsequente Engagement im Bereich Leitlinien dazu geführt, dass die Nachfrage und das Angebot der Mitarbeit an strategisch relevanten Leitlinien erheblich zugenommen haben. Erst durch die konsequente Ausweitung und Vollendung der begonnenen Arbeit wird eine Rückentwicklung (und Rückabwicklung) im Feld der Leitlinienarbeit unmöglich gemacht und damit die Anerkennung von Naturheilkunde und Phytotherapie im Fächerkanon der Medizin weiter gestärkt.