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DOI: 10.1055/s-0036-1584463
Zukunft der Phytotherapie
Von den ca. 300000 Pflanzenarten, die weltweit vorkommen, sind nur etwa 5 – 10% chemisch bzw. pharmakologisch gut untersucht. In Österreich sind Extrakte aus ca. 200 Pflanzenarten in Phytopharmaka enthalten, etwa 500 weitere Pflanzen werden volksmedizinisch genutzt.
Moderne Phytopharmaka stellen Arzneimittel pflanzlichen Ursprungs dar und müssen entsprechend den europäischen gesetzlichen Grundlagen dieselben Anforderungen wie chemisch-synthetische Arzneimittel erfüllen. Dazu gehören die Gewährleistung der pharmazeutischen Qualität, die Unbedenklichkeit in der Anwendung und die therapeutische Wirksamkeit. Im Unterschied zu den chemisch definierten Arzneimitteln, die in der Regel nur einen oder wenige Wirkstoffe enthalten, sind Phytopharmaka Vielstoffgemische, die aus hunderten unterschiedlicher Substanzen bestehen können. Die Zusammensetzung des Extraktes wird dabei nicht nur von Wachstums- und Erntebedingungen der Pflanze wesentlich beeinflusst, sondern vor allem auch vom verwendeten Herstellungsverfahren (z.B. Wahl des Lösungsmittels oder Wahl der Temperatur für die Extraktion). Die qualitative und quantitative Reproduktion von Phytopharmaka ist daher wesentlich aufwendiger als jene für definierte Einzelstoffe. Um einen gleichbleibenden therapeutischen Erfolg bei einer Behandlung mit einem Phytopharmakon garantieren zu können, muss aber eine möglichst gleichbleibende Zusammensetzung des pflanzlichen Inhaltsstoffes gewährleistet sein. Jüngste Fortschritte im Bereich der Reinigung, Isolierung und Strukturaufklärung sowie der Analytik von Naturstoffen haben es ermöglicht, geeignete Strategien für die Analyse der Qualität und den Prozess der Standardisierung von pflanzlichen Zubereitungen zu entwickeln. Trotz der modernen Analyseverfahren, welche heute zur Verfügung stehen, gelingt es aber nur selten, alle sekundären Metaboliten, die in einem Pflanzenextrakt enthalten sind, zu isolieren und zu charakterisieren.
Charakteristisch für Phytopharmaka als Vielstoffgemische ist auch die Tatsache, dass einige der Inhaltsstoffe als pharmakologisch aktiv und andere als inaktiv angesehen werden müssen. Die Herausforderung liegt hier in der Identifizierung der aktiven Prinzipien und der Aufklärung der Wirkmechanismen. Für diesen Zweck wurde eine Vielzahl von In-vitro- und Ex-vivo-Bioassays entwickelt und damit Wirkkomponenten identifiziert, die für die Qualitätskontrolle herangezogen werden können. Vielfach können aber In-vitro-Ergebnisse im Tiermodell nicht nachvollzogen werden. In der Tat resultiert die Wirksamkeit eines Extraktes aus der komplexen Interaktion der Inhaltsstoffe mit einer Vielzahl molekularer Zielstrukturen wie Rezeptoren, Enzyme oder Transportern. Die Fokussierung auf ganzheitliche Ansätze und Systembiologie in der Arzneipflanzenforschung stellt daher wohl den richtigen Trend zur Beschreibung und zum Verständnis von komplexen Multi-Parameter-Systemen dar. Im Rahmen des Vortrages werden Möglichkeiten und Trends der modernen Phytoforschung aufgezeigt und anhand von Beispielen diskutiert.