Gesundheitswesen 2016; 78 - A170
DOI: 10.1055/s-0036-1586679

Impfstatus und -akzeptanz bei Medizinstudierenden. Ergebnisse einer multizentrischen Querschnittstudie in Ungarn und Deutschland

K Voigt 1, H Riemenschneider 1, J Schübel 1, E Balogh 2, J Schelling 3, A Bergmann 1
  • 1Technische Universität Dresden, Dresden
  • 2University of Pécs, Pécs
  • 3Ludwig-Maximilians-Universität München, München

Einleitung/Hintergrund: Aktuelle regionale Ausbrüche impfpräventabler Infektionserkrankungen (ipI) verweisen auf unzureichende Durchimpfungsraten in Europa. Impfvorgaben variieren zwischen den EU-Mitgliedsstaaten [1], während sich ipI ungeachtet von Ländergrenzen durch zunehmende Migration verbreiten. Ausreichender Impfschutz ist auch vor diesem Kontext bei Medizinstudierenden (als zukünftige Multiplikatoren) wichtig, um deren eigene Gesundheit und die von Patienten zu schützen.

Fragestellung: Wie hoch sind die Durchimpfungsquoten bei Medizinstudierenden in Deutschland und Ungarn? Sind Medizinstudierende für ihren eigenen Impfschutz sensibilisiert und wie hoch ist die Impfakzeptanz bzgl. ipI in beiden Gruppen?

Studiendesign/Methoden: 2014 wurde in Dresden, München, Budapest und Pécs eine anonyme Querschnittbefragung zum Gesundheitsverhalten mit Medizinstudierenden im 1./3./5. Studienjahr durchgeführt. Die Teilnahmequote lag bei 56,2% von 5223 eingeschriebenen Medizinstudierenden insgesamt. Die vorliegende Analyse fokussiert auf deutsche und ungarische Studierende (n = 2354).

Ergebnisse: Es wurden vergleichbare Impfakzeptanz-Raten zwischen Studierenden in Dresden und ungarischen Studierenden festgestellt (> 80%), während deutsche Studierende in München, Budapest und Pécs eine um ca. 10% geringere Akzeptanz aufwiesen (chi2-tests, p ≤0,01). 2% aller Medizinstudierenden (unabhängig von der Nationalität) berichteten nicht gegen Masern, Mumps oder Röteln (MMR) geimpft zu sein. Mehr als 20% in beiden Gruppen konnten keine Angaben dazu machen. Signifikant mehr Deutsche als Ungaren (≥60% vs. ≤45%, chi2-test, p ≤0,001) berichteten einen ausreichenden Impfschutz gegenüber Diphtherie und Pertussis (DP), für die in beiden Ländern eine regelmäßige Wiederholungsimpfung empfohlen wird. Dabei berichteten mehr Ungaren als Deutsche (≥14% vs. ≥5%, chi2-test, p ≤0,001), dass sie ihren Impfschutz bezüglich DP nicht kennen.

Diskussion/Fazit: Unabhängig von einer überwiegend hohen Impfakzeptanz sind die berichteten Durchimpfungsraten teilweise bei Deutschen und Ungaren unzureichend und stellen den Herdenschutz infrage. Gemessen am Nichtwissen bzgl. eigenem Impfstatus scheint die Impfpflicht bei den ungarischen Studierenden zu einer geringeren Sensibilisierung für das Thema Impfen zu führen. Insbesondere bei TDP, die regelmäßig aufgefrischt werden sollten, sind zufriedenstellende Durchimpfungsraten bei Erwachsenen auch in Ländern mit Impfpflicht (z.B. Ungarn) nicht garantiert.

Schlussfolgerungen/Praxisrelevanz: Da Impfakzeptanz nicht direkt mit dem Impfverhalten assoziiert zu sein scheint [2], sollten Präventionsprogramme im universitären oder anderen Ausbildungssettings nicht nur Informationen anbieten, sondern auch Zugang zu Impfberatung und Impfungen schaffen. Dies könnte z.B. ähnlich wie die regelmäßig im universitären Setting stattfindenden Blutspende-Aktionen organisiert werden. Referenzen beim Verfasser.