Gesundheitswesen 2016; 78 - A172
DOI: 10.1055/s-0036-1586681

Persönliche Gründe für die Nutzung eines medizinisch-diagnostischen Selbsttests: Ergebnisse der Inhaltsanalyse von 500 befragten Anwender/inne/n

P Kücükbalaban 1, S Schmidt 1, H Muehlan 1
  • 1Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Greifswald

Hintergrund: Eine Vielzahl von diagnostischen Selbsttests für Erkrankungen oder Krankheitsrisiken (z.B. für Allergien oder Darmkrebs) steht der Allgemeinbevölkerung rezeptfrei insbesondere über das Internet zur Verfügung. Bislang gibt es in Deutschland noch keine Studien zu den persönlichen Motiven der Nutzung von Selbsttests – deren Untersuchung das Ziel der vorliegenden Studie war.

Methode: Teilnehmer/innen einer Onlinestudie wurden in Tranchen eingeladen, die repräsentativ bezüglich der Verteilung von Geschlecht und Alter in Deutschland waren. Die 505 Selbsttester wurden mit einer offenen Frage nach ihren persönlichen Gründen für die Anwendung eines Selbsttests befragt. Die Antworten wurden nach der qualitativen Inhaltsanalyse von Mayring durch zwei geschulte Rater kodiert und mit SPSS und Excel ausgewertet.

Ergebnisse: Für die Antworten der befragten Selbsttester wurden insgesamt 980 Codes für die Anwendung von 709 individuellen Selbsttests vergeben. Diese konnten 13 Hauptkategorien mit 32 Unterkategorien zugeordnet werden. Die fünf häufigsten Hauptkategorien waren: (1) „Unsicherheit/zur Absicherung“ (23,9%), (2) „Risikowahrnehmung“ (z.B. familiärer Vorbelastung) (22,0%), (3) „Praktische Anwendungs-vorteile“ (10,3%), (4) „(Verlaufs-)Kontrolle“ (9,7%) sowie (5) „Empfehlung/Information“ (z.B. durch Ärzte oder Familie/Freunde) (9,2%). Es zeigten sich nur geringfügige Geschlechterunterschiede (jeweils < 2,5%) – ausgenommen für die Kategorie „Unsicherheit“, die knapp 5% häufiger von Frauen (25,6%) als von Männern (21,5%) angegeben wurde.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass die Anwender zum deutlich überwiegenden Teil der Gruppe der sog. aktiven Selbsttester zuzurechnen sind, denen die Risikofaktoren/die Erkrankung bekannt gewesen ist und die aktiv die Möglichkeit gesucht haben einen Selbsttest durchzuführen. So wurden weniger als 10% der Tests aufgrund von Empfehlungen oder Informationen von anderen initiiert. Demgegenüber zeigte sich in einer niederländische Studie, dass Selbsttests vor allem durchgeführt wurden, weil es den Testern kostenlos angeboten wurde (sog. passive Selbsttester) und einem Teil dieser Tester die Risikofaktoren bzw. die Erkrankung vor dem Angebot zur Selbsttestung nicht bekannt waren.

Schlussfolgerung: Die persönlichen Motive einen Selbsttest durchzuführen könnten auch die Ursachen für die unterschiedlichen Prävalenzraten der Nutzung von Selbsttests in Deutschland (8,5%) im Vergleich zu den Niederlanden (16%) erklären. Folgeuntersuchungen sind notwendig, um das emotionale Erleben der Anwender sowie ihr Verhalten auf die Testergebnisse zu untersuchen und inwieweit von der zukünftigen Nutzung von Selbsttests in der Konsequenz tendenziell eher eine Entlastung oder eine Belastung der medizinischen Versorgungssysteme ausgehen wird.