Zielsetzung: Ausgangspunkt der Studie waren die deutlich niedrigeren Kaiserschnittraten bei Schwangeren
mit Migrationshintergrund (MH) Türkei im Vergleich zu Schwangeren ohne MH in der DFG-geförderten
Studie „Perinatale Gesundheit & Migration in Berlin“. Es sollte geklärt werden, ob
und wie sich die Einstellungen der Schwangerengruppen bezüglich Kaiserschnitts unterscheiden.
Material/Methoden: Dazu wurde eine qualitative Studie mit leitfadengestützten Interviews an einem Berliner
Krankenhaus konzipiert. Es wurden durchschnittlich 17-minütige Interviews mit 19 türkeistämmigen
und 11 deutschen Schwangeren geführt, bei Bedarf erfolgte eine Simultanübersetzung.
Es lagen 552 Minuten (9,2h) Audiomaterial vor, die transkribiert und einer qualitativen
Inhaltsanalyse unterzogen wurden.
Ergebnisse: Alle Schwangeren bevorzugten eine vaginale Entbindung. Schwangere mit MH Türkei verbinden
damit eine wichtige persönliche Erfahrung und einen reinigenden Vorgang. Während Schwangere
ohne MH den Kaiserschnitt vor allem wegen operationsassoziierter Risiken ablehnen,
fallen für Schwangere mit MH Türkei Nachteile für das Kind stärker ins Gewicht. Die
Mehrheit der befragten Schwangeren beider Gruppen entscheidet unabhängig von der Meinung
des Partners über den Entbindungsmodus. Dem Schmerz einer vaginalen Entbindung messen
Schwangere mit MH Türkei häufiger eine sinnvolle Bedeutung zu. Die schwangerschafts-
und soziodemographischen Charakteristika der hier befragten türkeistämmigen Schwangeren
entsprechen denen der Population der DFG-geförderten Studie „Perinatale Gesundheit
& Migration Berlin“.
Zusammenfassung: Die Schwangeren beider Gruppen bevorzugten eine vaginale Entbindung, begründen ihre
Einstellungen jedoch unterschiedlich. Die niedrigere Kaiserschnittrate bei den Schwangeren
mit MH Türkei entspricht eher deren Wünschen und Einstellungen als die höhere Kaiserschnittrate
bei den Schwangeren ohne MH.