Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - P562
DOI: 10.1055/s-0036-1593222

Migrationshintergrund als Risikofaktor für eine Hyperemesis gravidarum? Ergebnisse einer retrospektiven Untersuchung von 1090 betroffenen Patientinnen

J Stoba 1, M David 2
  • 1Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • 2Charité Campus Virchow-Klinikum, Klinik für Gynäkologie, Berlin, Deutschland

Fragestellung: Zuwanderung ist ein adaptiver Prozess, bei dem das Risiko einer Nichtbewältigung mit psychischen und/oder körperlichen Folgen besteht. Eine schwere Hyperemesis gravidarum (H.g.) gilt heute als klassisches Beispiel für ein Zusammenspiel somatischer, psychischer und sozialer Ursachenfaktoren gelten. Eigene und internationale Studien zeigen, dass der Migrantinnenanteil unter H.g.-Patientinnen in Zuwanderungsländern überproportional hoch ist. Unklar sind die Auswirkungen einer H.g. auf fetale Entwicklung und perinatales Outcome. Mit einer retrospektiven quantitativen Untersuchung der stationären H.g.-Fälle werden mögliche Unterschiede zwischen Patientinnen mit und ohne Migrationshintergrund eruiert.

Patientinnenkollektiv/Methodik: Retrospektive Datenanalyse stationär behandelter Patientinnen mit H.g. 1997 – 2015; Erfassung von Alter, Ethnizität, Schwangerschaftsalter bei Aufnahme, Gravidität/Parität, Klinikaufenthaltsdauer, Dauer der Symptomatik vor Aufnahme, Ketonurieausprägung bei Aufnahme und Entlassung, Komorbiditäten, Wiederaufnahme. Zuordnung zu zwei Patientinnengruppen (Frauen mit = Gr. mM/ohne Migrationshintergrund = Gr. oM) erfolgte mittels Namensanalyse.

Ergebnisse: In der 18-Jahres-Periode wurden 1090 Frauen mit H.g. stationär behandelt (Gesamtaufnahmen 1233), der Migrantinnenanteil war mit 75,5% (930 Patientinnen) verglichen zur altersstandardisierten weiblichen Wohnbevölkerung Berlins überproportional hoch. Beide Kollektive waren bezüglich stationärer Therapiedauer (Gr. mM: 5,1 Tage; Gr. oM: 5,5 Tage) und Wiederaufnahmerate (Gr.: oM: 13,3%; Gr. mM: 14%) ähnlich. Anzahl der Erstgebärenden war in der Gr. oM höher (46%; Gr. MM: 29%). Unter den Migrantinnen war der Anteil türkei- und arabischstämmiger Migrantinnen besonders hoch. Es erfolgt eine separate Datenanalyse der größten Subgruppe (türkeistämmige Migrantinnen) im Vergleich zur Gr. oM.

Schlussfolgerungen: Ein Migrationshintergrund muss als Risikofaktor für die Entwicklung einer H.g. beachtet werden. Neben somatischen Behandlungskonzepten sollten psychologisch/psychosomatische Konzepte Anwendung finden. Eine Auswertung der Schwangerschafts- und Geburtsverläufe von H.g.-Patientinnen erfolgt.