Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - P564
DOI: 10.1055/s-0036-1593224

Werden Negativ-Kriterien (Choosing Wisely) bereits in der geburtshilflichen Praxis berücksichtigt?

L Schradin 1, B Arabin 1, U Laas 1, N Timmesfeld 1, B Misselwitz 2
  • 1Philipps Universität Marburg, Marburg, Deutschland
  • 2Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen, Eschborn, Deutschland

Zielsetzung: Die Society of Maternal Fetal Medicine (SMFM) hat evidenzbasierte „Choosing Wisely“ Empfehlungen definiert. Deren Einführung wurde auch für Deutschland im Ärzteblatt diskutiert und ist nicht verwirklichtes Anliegen der AWMF. Mit unserer Untersuchung möchten wir ermitteln, inwieweit in Deutschland Negativkriterien bekannt sind.

Material und Methode: Die Hessische Perinatalerhebung wurde von 2000 bis 2015 auf wesentliche Verstöße gegen Negativempfehlungen untersucht, darunter Sektioraten, Oxytocinbelastungstest, iv-Tokolyse > 48 Stunden oder bei Blasensprung, orale Tokolyse, (wiederholte) Gaben von Medikamenten zur Lungenreifeinduktion und Cerclagen (bei Mehrlinsgravidität).

Ergebnisse: Von 2000 bis 2014 wurden 752419 Schwangerschaften und Geburten davon 234634 (31,2%) Kaiserschnitte erfasst; der Anteil der Sektiones stieg von 18,5% (2000) auf 34,4% (2014) (p < 0,001). Raten von Oxytocinbelastungstesten sanken von 11,3% auf 2,0% (p < 0,001). Raten aller Patienten mit iv-Tokolyse sanken von 4,5% auf 2,5% (p < 0,001). Allerdings war kein Rückgang von i.v.-Tokolysen > 48 Stunden erkennbar: 68,7% (2000) und 69,1% (2014) (NS). Entgegen internationalen Richtlinien wurden bei vorzeitigem Blasensprung < 34 SSW iv-Tokolysen in 49,4% (2000) und 57,4% (2014) ausgeführt, der Anteil oraler Tokolysen sank von 5,5% auf 0,7% (p < 0,001). Corticosteroide wurden in 4,5% (2000) und 4,7% (2014) appliziert, allerdings noch in 3,5% und 3,0% bei > 34 SSW. Cerclagen wurden in 1,1%(2000) und 0,6% (2014 appliziert, davon entgegen internationalen Richtlinien noch in 8,6% (2000) und 5%(2014) bei Mehrlingsschwangerschaft.

Zusammenfassung: Unsere Ergebnisse zeigen, dass evidenzbasierte Negativkriterien (bedingt) Eingang in die Praxis gefunden haben. In Zusammenarbeit mit dem Jungen Forum und Gyn-to-Go haben wir eine Umfrage unter Assistenten zu „Choosing Wisely“ gestartet die bis Oktober ausgewertet wird.