Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - FV053
DOI: 10.1055/s-0036-1593290

Einzelbasen-Polymorphismen im Östrogenrezeptor-α als Hinweis auf eine mögliche Fehlfunktion des Rezeptors und Ursache für das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKHS)

KK Rall 1, L Frank 2, O Riess 3, D Wallwiener 1, SY Brucker 2
  • 1Department für Frauengesundheit, Universitäts-Frauenklinik, Tübingen, Deutschland
  • 2Department für Frauengesundheit, Forschungsinstitut für Frauengesundheit, Universität Tübingen, Deutschland
  • 3Institut für Medizinische Genetik und angewandte Genomik, Universität Tübingen, Deutschland

Hintergrund und Zielsetzung: Die Uterus- und Vaginalaplasie im Rahmen eines MRKHS stellt die zweithäufigste Ursache für eine primäre Amenorrhö dar. Trotz zahlreicher Ansätze konnte die Ursache bislang nicht geklärt werden. In einem ersten whole genome Ansatz unserer Arbeitsgruppe stellten sich u.a. Hormonrezeptoren wie der Östrogenrezeptor-α (ESR1), der Progesteronrezeptor (PGR) und der Oxytozinrezeptor (OXTR) als differenziell exprimiert heraus. Eine resultierende Hypothese war die Defizienz von ESR1 und PGR. Passend hierzu war die hormonell induzierte Proliferationsrate endometrialer Zellen aus Uterusrudimenten von MRKH-Patientinnen im Vergleich zu gesunden Kontrollen deutlich reduziert.

Mit der erstmaligen systematischen Sequenzierung der Gene des OXTR sowie des ESR1 bei Patientinnen mit MRKHS sollte diese Arbeit zur Klärung der Pathogenese beitragen und Grundlagen für neue therapeutische Ansätze liefern.

Material und Methoden: Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde DNA aus Blutproben von 93 Patientinnen mit MRKHS isoliert und nach Aufarbeitung sequenziert.

Ergebnisse: Erstmals konnten Veränderungen auf DNA-Ebene detektiert werden, die die Funktion der betreffenden Rezeptorproteine beeinträchtigen könnten. Insbesondere die Sequenz von Esr1 zeigte in DNA-Isolaten Einzelbasen-Polymorphismen (SNPs), die durch direkte Alteration der Aminosäuresequenz des Rezeptorproteins, Beeinflussung posttranskriptioneller Vorgänge oder Veränderung einer miRNA-Bindestelle eine Fehlfunktion des ESR1 bedingen könnten. Auch die Analyse des Gens Oxtr ließ eine Deutung der reduzierten Expression des OXTR im Sinne einer Störung im Östrogenrezeptor-Regelkreis als pathogenetische Erklärung zu.

Zusammenfassung: Die vorliegenden Ergebnisse sollen als Anstoß für weitere Untersuchungen des ESR1 dienen, die neben klassischen Missense-bzw. Nonsense-Mutationen v.a. auch posttranskriptionelle Modifikationen und Regulationsmöglichkeiten als Ursache einer Rezeptordysfunktion in Betracht ziehen sollten.