Pneumologie 2017; 71(S 01): S1-S125
DOI: 10.1055/s-0037-1598483
Posterbegehung – Sektion Infektiologie und Tuberkulose
Posterbegehung pneumologische Infektiologie – Sebastian R. Ott/Bern, Jessica Rademacher/Hannover
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Infektionsgeschehen und dessen Determinanten bei unbegleiteten Minderjährigen unter vorrangiger Beachtung der Tuberkulose – Eine regionale Retrospektive über einen sechsjährigen Beobachtungszeitraum

B Königstein
1   Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen, Lra Erding/Gesundheitsamt -Sg. 50, Infektionsschutz/Tuberkulosefürsorge
,
A Deisling
2   LMU München, Medizinische Fakultät, Masterstudiengang Public Health
,
H Stich
3   Fachbereich Gesundheit, Landratsamt Erding
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
23 February 2017 (online)

 

Hintergrund:

Seit einigen Jahren stellt die steigende Anzahl unbegleiteter Minderjähriger (uMs) das deutsche Gesundheitssystem vor große Herausforderungen. So sind Tuberkulose (Tb)-Infektionen neben anderen übertragbaren Krankheiten für die Krankheitslast dieser Flüchtlingspopulation von wesentlicher Bedeutung. Dennoch liegen allenfalls lückenhafte Kenntnisse über das Krankheitspanorama definierter Infektionskrankheiten und über deren gesundheitsrelevanten Determinanten bei uMs vor.

Methoden:

Im Rahmen des landesrechtlich vorgeschriebenen gesundheitlichen Screenings von uMs durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst wurden für den Zeitraum 2010 bis 2015 Routinedaten vom Gesundheitsamt Erding erhoben. Retrospektiv wurden für diese sechsjährige Zeitperiode anonymisiert Prävalenzen von Tb-Erkrankungen und von anderen ausgewählten Infektionskrankheiten nach definierten Kriterien quantitativ ermittelt.

Ergebnisse:

Insgesamt wurden im Beobachtungszeitraum 156 uMs (87,2% Knaben versus 12,8% Mädchen) im Alter 5 bis 17 Jahre vom Öffentlichen Gesundheitsdienst körperlich untersucht. Im Rahmen dieses medizinischen Erstscreenings konnten bei 26,9% eine, jedoch lediglich bei 3,8% mindestens zwei Infektionskrankheiten aufgedeckt werden. Die Tb-spezifische Periodenprävalenz lag für eine latente Tb-Infektion bei 16,1% und für eine klinisch gesicherte Tb-Erkrankung bei 2,0%. Nachfolgend waren Scabies (7,4%) sowie intestinale Parasitosen (6,7%) die häufigsten übertragbaren Krankheiten bei dieser Migrantenpopulation. Als die zwei stärksten Risikofaktoren für eine latente Tb-Infektion ließen sich die Herkunft aus dem Subsaharischen Afrika (OR = 8,2 95%-KI: 2,5 – 26,8; p ≤0,001) und die zunehmende Fluchtdauer (OR = 1,2; 95%-KI: 1,1 – 1,3; p = 0,005) identifizieren.

Schlussfolgerung:

Innerhalb der Migrantenpopulation der uMs stellen Tb-Infektionen eine relevante Gesundheitsgefährdung dar. Je nach Herkunftsland, Fluchtdauer und anderen migrationsspezifischen Begleitumständen sind unterschiedliche übertragbare Krankheiten bei differentialdiagnostischen Überlegungen zu bedenken.