Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(04): 406-429
DOI: 10.1055/s-0037-1601533
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Einzelfallbeschreibung: Stammganglieninfarkt und schwere Präeklampsie in der 35 SSW

K Schillo
1   Eichsfeld Klinikum Heilbad Heiligenstadt, Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe
,
A Kiefer
1   Eichsfeld Klinikum Heilbad Heiligenstadt, Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe
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Publication History

Publication Date:
06 April 2017 (online)

 

Notfallmäßige Aufnahme einer 34-jährigen 7G/IIIP in der 34+5 SSW mit seit dem Vortag hängendem Mundwinkel, verwaschener Sprache, Gangunsicherheit sowie Taubheitsgefühl im linken Arm in die Stroke Unit des Klinikums. Im MRT Diagnose eines ausgedehnten Stammganglieninfarkts. Außerdem Vorliegen eines ausgeprägten kardiovaskuläres sowie schwangerschaftsassoziierten Risikoprofils: art. Hypertonie, Hypercholesterinämie, chronischer Nikotinabusus, Adipositas, Z.n. Sectio bei vorzeitiger Plazentalösung, insulinpflichtiger GDM, V.a. IUGR. Klinisch fiel zudem eine akute hypertensive Entgleisung auf, die medikamentös anbehandelt wurde. Im Verlauf der Nacht Symptome der schweren Präeklampsie.

Diskussion folgender Fragestellungen im interdisziplinären Team: Handelt es sich bei dem Geschehen um zwei voneinander unabhängige Ereignisse (Stammganglieninfarkt vs. Präeklampsie) oder bedingen sie sich? Wie stark und wie schnell sollte der Blutdruck gesenkt werden? Wann ist der richtige Zeitpunkt der Terminierung der Schwangerschaft bei aktuell bestehender Frühgeburtlichkeit? Wie kann die Therapie des Stammganglieninfarkts bei bestehender Schwangerschaft adäquat durchgeführt werden?

Es handelt sich bei der eingereichten Arbeit um eine Einzelfallbeschreibung. Trotz antihypertensiver Therapie konnten die Blutdruckwerte nicht stabilisiert werden. Im Gegenteil stiegen sie sogar noch weiter an, sodass bei zusätzlich neu auftretender Gestosesymptomatik (Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerz und generalisierte Hyperalgesie) die Indikation zur eiligen Sectio in Intubationsnarkose gestellt wurde. Nach der Geburt eines hypotrophen Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von 1987 g (APGAR 7-8-9) wurde dieser bei respiratorischer Anpassungsstörung auf unsere neonatologische Intensivstation verlegt. Die Mutter wurde zur postoperativen Überwachung zunächst auf der anästhesiologischen Intensivstation, später auf der Stroke Unit interdisziplinär betreut.

Diese besondere und komplexe Kasuistik zeigt einmal mehr, dass medizinische Entscheidungen gelegentlich trotz Zusammenschau aller bekannten Fakten sowie durch Einbeziehen der persönlichen Berufserfahrung in einem Graubereich getroffen werden (müssen), der keine eindeutigen Antworten ermöglicht. Ich würde mich deshalb freuen, während der Poster-Session mit Kollegen über den Fall zu diskutieren, deren Einschätzungen zu erfahren und neue Anregungen zu erhalten.