Suchttherapie 2017; 18(S 01): S1-S72
DOI: 10.1055/s-0037-1604502
Symposien
S-01 Früherkennung und Intervention bei Alkoholproblemen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Entwicklung einer computergestützten Kurzintervention bei gesundheitsriskantem Alkoholkonsum und Depressivität: Ergebnisse einer multizentrischen Pilotstudie in der primärmedizinischen Versorgung

C Meyer
1   Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Sozialmedizin und Prävention
,
K Kraus
1   Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Sozialmedizin und Prävention
,
D Gürtler
1   Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Sozialmedizin und Prävention
,
A Möhring
1   Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Sozialmedizin und Prävention
,
HJ Rumpf
2   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
G Bischof
2   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
A Batra
3   Universitätsklinikum Tübingen, Sektion für Suchtmedizin und Suchtforschung
,
S Ulbricht
1   Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Sozialmedizin und Prävention
,
M Lucht
4   Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie; Universitätsmedizin Greifswald
,
J Freyer-Adam
5   Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Medizinische Psychologie
,
U John
1   Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Sozialmedizin und Prävention
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Publication History

Publication Date:
08 August 2017 (online)

 

Einleitung:

Die medizinische Basisversorgung gilt als ein vielversprechendes Setting für die bevölkerungsweite Implementation von proaktiven Screening- und Beratungsangeboten. Entsprechende Interventionen wurden für verschiedene Gesundheitsrisiken bisher meist separat entwickelt, geprüft und disseminiert. Multibehaviorale Interventionsansätze könnten Probleme der Implementation reduzieren und synergistische Effekte erzeugen, sind aber bisher kaum erforscht. Im vorliegenden Beitrag wird die Entwicklung einer computergestützten Intervention vorgestellt, die simultan gesundheitsriskanten Alkoholkonsum und depressionspräventives Verhalten adressiert.

Methodik:

Für eine Prä-Post-Pilotstudie wurden konsekutive Patienten in hausärztlichen Praxen und Kliniken gescreent und 41 eligible Patienten identifiziert. Weitere 15 Probanden wurden über Medienaufrufe rekrutiert. Einschlusskriterien waren derzeit gesundheitsriskanter Alkoholkonsum, eine Episode mit depressiven Symptomen in den letzten 12 Monaten und Alter von 18 – 64 Jahren. An der Baselinebefragung nahmen 34 Probanden (44% männlich) teil. Die Intervention beinhaltete sechs individualisierte Beratungsbriefe und wöchentliche SMS- bzw. E-Mail-Nachrichten, die vollautomatisiert durch ein Computersystem auf Basis von drei Befragungen erstellt und über einen Zeitraum von 6 Monaten versandt wurden. Die Rückmeldung umfasste einzelne Feedbacks zum Trinkverhalten sowie zur Nutzung depressionspräventiver Strategien (Kontrolle negativen Denkens, Aktivierung, Stressmanagement, Bewegungsmehrung, Inanspruchnahme sozialer Unterstützung). Sechs Monate nach Baseline erfolgte eine standardisierte Nachbefragung (Erreichungsrate 83%) und ein Tiefeninterview via Telefon.

Ergebnisse:

Von den im Rahmen des Screenings identifizierten Baseline-Teilnehmern erhielten 76% alle vorgesehenen Interventionskomponenten. Die Studienteilnehmer beider Rekrutierungswege gaben zum 6-Monats-Follow-up eine signifikante Reduktion der Trinktage an (p = 0,003). Außerdem berichteten die medienrekrutierten Probanden eine Reduktion der Trinkmenge pro Tag (p = 0,034). In Bezug auf die Depressivität zeigte sich für alle Teilnehmer, verglichen mit der beeinträchtigendsten Episode in den letzten 12 Monaten vor Einschluss, eine Abnahme. Weiterhin nahm die Anzahl der berichteten depressionspräventiven Verhaltensweisen zu (p = 0,001). Im Tiefeninterview bewerten 87% der Teilnehmer die Intervention als „gut“ oder „sehr gut“. Weiterhin gab die Mehrheit der Teilnehmer an, dass sich die Teilnahme für sie (eher) gelohnt hätte und sie das Programm (eher) weiterempfehlen würden. Weitere qualitative Daten wurden zur partizipativen Optimierung der Intervention genutzt.

Schlussfolgerung:

Die Ergebnisse der Pilotstudie belegen die Praktikabilität der Intervention und der Studienlogistik. In Vorbereitung auf eine Wirksamkeitsstudie wird derzeit eine randomisiert kontrollierte Studie begonnen, um mögliche Interventionseffekte zu explorieren.