Suchttherapie 2017; 18(S 01): S1-S72
DOI: 10.1055/s-0037-1604517
Symposien
S-04 Achtsamkeitsübungen in der Suchttherapie und -prävention: Forschungsverbund IMAC-Mind (BMBF)
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Achtsamkeitsbasierte Ansätze für suchtgefährdete Jugendliche mit einer Intelligenzminderung

O Reis
1   Klinik für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter, Universitätsmedizin Rostock
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Publication Date:
08 August 2017 (online)

 

Einleitung:

Nach eigenen Ergebnissen haben männliche Jugendliche mit einer Lernbehinderung (LB, IQ < 85) ein erhöhtes Risiko, Alkohol auf riskante Weise zu konsumieren, wenn sie einmal mit dem Konsum begonnen haben. In kürzerer Zeit als Mädchen mit einer LB berichten sie über mehr Trunkenheitserlebnisse und Konflikte mit dem Gesetz. Gleichzeitig sind verringerte kognitive Kapazitäten ein Risiko für beeinträchtigte Emotions- und Verhaltensregulation. Diese Mechanismen spielen in der Entstehung riskanter Konsummuster eine Rolle und werden in der beschriebenen Population oft pharmakologisch behandelt. Nicht-pharmakologische Interventionen, wie etwa achtsamkeitsbasierte Übungen, bieten eine vielversprechende Alternative, sind bisher jedoch nicht auf Machbarkeit bei Jugendlichen und für Alkohol untersucht worden. Das Projekt verfolgt daher das Ziel, mittels achtsamkeitsbasierter Übungen in ebendieser Übergangsphase zwischen dem Erstkonsum und der Eskalation letztere möglichst zu verzögern.

Methodik:

Vorgestellt wird eine zweiphasige Machbarkeitsstudie, die im ersten Teil mittels adaptiver Trials herkömmliche Präventionsmaßnahmen für Jugendliche mit Lernbehinderung (12 – 16 Jahre) erarbeiten soll. Die Übungen zielen auf eine Verbesserung kognitiv-affektiver Verhaltensregulation und sollen im Feld (Ambulanz, Schule, Einrichtungen der Jugendhilfe) mit einem personalisierten Ansatz (Einzeltraining) durchführbar sein. In einer zweiten Phase (Proof of Concept) werden die Übungen auf Wirksamkeit geprüft, indem in einem randomisiert-kontrollierten Design eine Interventionsgruppe (n = 27) gegen eine Gruppe mit Sham-Intervention (n = 27) getestet wird. Im Training soll auf spezielle Probleme und Ziele lernbehinderter Jugendlicher abgehoben werden. Interventionseffekte sollten verhaltensnah und in natürlicher Umwelt erhoben werden. Primäre abhängige Variable ist die Dauer zwischen Training und Trunkenheitserlebnissen während der letzten Woche, gemessen über wöchentliche Rückmeldung via Smartphone App über ein Jahr.

Ergebnisse:

Es wird zunächst erwartet, dass eine Anpassung achtsamkeitsbasierter Übungen an die Bedürfnisse der Studienpopulation möglich ist. Für die zweite Phase erwarten wir eine relative Überlegenheit der Interventionsgruppe (längere Dauer bis zu Trunkenheitserlebnissen, geringere Anzahl von Trunkenheiten und konsumierten Zigaretten) gegenüber der Sham-Interventionsgruppe.

Schlussfolgerung:

Sollte es gelingen, via achtsamkeitsbasierter Übungen nicht nur Emotions- und Verhaltensregulationen, sondern auch Konsummuster zu ändern, hätte dies weitreichende Folgen für die Forschung zur Drogenprävention bei Lernbehinderten. Achtsamkeitsbasierte Ansätze ließen sich dann auch für Jugendliche mit Lernbehinderung und in der Alkoholprävention empfehlen und die Durchführung klinischer Studien erschiene erfolgversprechend.