Suchttherapie 2017; 18(S 01): S1-S72
DOI: 10.1055/s-0037-1604624
Symposien
S-32 Aufgabenfelder in der Suchtpolitik – Symposium des Dachverbands der Suchtfachgesellschaften Deutschlands
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lübecker Memorandum zur Zukunft der Suchtkrankenversorgung

HJ Rumpf
1   Universität Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
G Bischof
1   Universität Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
A Bischof
1   Universität Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
E Hoch
2   Ludwig-Maximilian-Universität München, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
08. August 2017 (online)

 

Einleitung:

Suchterkrankungen verursachen hohe Kosten für die Gesellschaft und beträchtliches Leid bei Betroffenen und deren Familien. Das Suchthilfesystem leistet eine hervorragende Arbeit und erreicht diejenigen, die Behandlung aufsuchen, gut und effizient. Die Mehrheit der Suchtkranken – je nach konsumiertem Suchtstoff in unterschiedlichem Ausmaß – sucht jedoch von sich aus keine Hilfe auf und ist somit für das Suchthilfesystem derzeit nicht erreichbar.

Methodik:

Eine Expertinnen- und Expertengruppe hat eine Zukunftsvision für die Suchtkrankenversorgung erarbeitet. Dabei wurde die Methode der Zukunftswerkstatt eingesetzt. Die 35 Experten kamen aus unterschiedlichen Disziplinen und Bereichen, dazu gehörten u.a. Suchtkrankenhilfe, Suchtforschung, Selbsthilfe, Gesundheitsökonomie, Allgemeinmedizin und Soziale Arbeit. Das Projekt wurde durch Mittel des Bundesministeriums für Gesundheit ermöglicht. Die Ergebnisse wurden in einem Memorandum zusammengeführt, konsentiert und publiziert.

Ergebnisse:

Die folgenden vier Themenbereiche standen im Vordergrund:

  1. Nahtlose und zugeschnittene Hilfen: Menschen mit Suchterkrankungen werden in allen wichtigen Bereichen des Lebens erkannt und erhalten die für sie geeignete Hilfe, die von Frühintervention über Beratung und Therapie bis hin zu kontinuierlicher Betreuung reicht und Angebote der Selbsthilfe einschließt. Bereiche der medizinischen und psychosozialen Versorgung sind mit der Suchthilfe vernetzt und bieten gemeinschaftlich nahtlose Hilfe an. Die Finanzierung ist vereinfacht und gesichert.

  2. Frühzeitige, umfassende und wirksame Prävention: Präventionsstrategien beinhalten eine frühzeitige und lebensweltorientierte Berücksichtigung von problematischen Gesundheits-Verhaltensweisen. Sucht, schädlicher und riskanter Konsum haben hier eine Schlüsselstellung. Es werden über den gesamten Lebensverlauf Hilfen zur Verbesserung des Gesundheitsverhaltens angeboten.

  3. Vorurteilfreies Klima und fördernde Grundhaltung: Die Stigmatisierung ist wirksam reduziert. Sucht, schädlicher und riskanter Konsum werden wertfrei als optimier- und veränderbare Verhaltensweisen angesehen. Der Umgang mit Betroffenen ist geprägt von Partnerschaftlichkeit, Akzeptanz, Mitgefühl und motivierender Förderung.

  4. Freier Zugang zu einem Spektrum wirksamer Hilfen: Es ist gesichert, dass die bestwirksamen Behandlungsformen qualifiziert angeboten werden. Die Betroffenen werden durch eine unabhängige Beratung darin unterstützt, selbstbestimmt die für ihre spezifische Problematik passende Wahl zu treffen.

Schlussfolgerung:

Die Ergebnisse weisen Änderungsbedarf in mehreren Bereichen auf und schlagen zukünftige Entwicklungen vor. Die entwickelten Ideen sollen nun in einem fortlaufenden Prozess umgesetzt werden. Hierzu wird eine Kommission mit verschiedenen Arbeitsgruppen gegründet. Es wird eine Zusammenarbeit mit Politik, Verbänden, Praxis und Forschung erfolgen.