Suchttherapie 2017; 18(S 01): S1-S72
DOI: 10.1055/s-0037-1604632
Symposien
S-34 Komorbidität und Risikofaktoren bei Suchterkrankungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Selbstmitgefühl und Selbstwert bei pathologischen Glücksspielern und Alkoholabhängigen

S Kistner
1   Salus Klinik Friedrichsdorf
,
I Bengesser
1   Salus Klinik Friedrichsdorf
,
N Tahmassebi
1   Salus Klinik Friedrichsdorf
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
08 August 2017 (online)

 

Einleitung:

Während das Thema Selbstwert in Forschung und Therapie längst eine große Rolle spielt, wird Selbstmitgefühl (self-compassion) als Konstrukt erst seit einigen Jahren intensiver untersucht. Selbstmitgefühl umfasst u.a. einen freundlichen und verständnisvollen Umgang mit sich selbst, eine akzeptierende Haltung und eine achtsame Wahrnehmung der eigenen Emotionen (Neff, 2003). Erste Studien im Bereich Sucht deuten darauf hin, dass Selbstmitgefühl bei Alkoholabhängigen niedriger ausgeprägt ist als in der Allgemeinbevölkerung (Brooks, Kay-Lambkin, Bowman & Childs, 2012). Über die Ausprägung von Selbstmitgefühl bei stoffungebundenen Abhängigkeiten ist bislang wenig bekannt. In der vorliegenden Studie sollen zusätzlich zu Alkoholabhängigen auch pathologische Glücksspieler hinsichtlich ihres Selbstmitgefühls und Selbstwerts untersucht werden sowie Zusammenhänge zwischen den beiden Konstrukten geprüft werden.

Methodik:

Teilnehmer der Studie sind Patienten einer Rehabilitationsklinik für Suchterkrankungen, bei denen entweder pathologisches Glücksspielen oder Alkoholabhängigkeit vorliegt. Eine Pilotstichprobe von N = 30 Teilnehmern (33% pathologische Glücksspieler, 67% Alkoholabhängige, 70% männlich, M = 47,4 Jahre alt, SD = 10,4) wurde bereits erhoben. Die Daten von weiteren 60 Patienten sollen bis zum Kongress erhoben sein. Zur Messung des Selbstmitgefühls wird die deutsche Kurzform der Self-Compassion-Scale (SCS-D, Hupfeld & Ruffieux, 2011) eingesetzt. Der globale Selbstwert wird mit der revidierten Fassung der deutschsprachigen Rosenberg-Skala zum Selbstwertgefühl (RSES, von Collani & Herzberg, 2003) erfasst, die Selbstwertkontingenzen mit der deutschen Version der Contingencies of Self-Worth Scales (CSWS, Schwinger, Schöne & Otterpohl, 2015).

Ergebnisse:

Erste Ergebnisse der Pilotstichprobe deuten darauf hin, dass sowohl Selbstmitgefühl als auch Selbstwert bei Alkoholabhängigen tendenziell höher ausgeprägt sind als bei pathologischen Glücksspielern. Signifikante Unterschiede zeigen sich bei den Selbstwertkontingenzen, wobei die Glücksspieler ihren Selbstwert als stärker abhängig von den Bereichen Wettbewerb und berufliche Kompetenz angeben als die Alkoholabhängigen. Selbstmitgefühl und Selbstwert korrelieren signifikant positiv (r = 0,66, p < 0,01).

Schlussfolgerung:

Es zeigen sich erste Hinweise auf Unterschiede zwischen stoffgebundenen und stoffungebundenen Abhängigkeiten im Hinblick auf Selbstmitgefühl und Selbstwert. Selbstmitgefühl scheint ein relevantes Konstrukt im Suchtbereich zu sein. Die tendenziell eher niedrig ausgeprägten Werte legen einen Bedarf an entsprechenden Interventionen nahe.