Suchttherapie 2017; 18(S 01): S1-S72
DOI: 10.1055/s-0037-1604652
Symposien
S-39 Gaming and Gambling – Neue Entwicklungen und diagnostische Möglichkeiten
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erscheinungsbild, Entstehungsmerkmale und Risiken der „Onlineglücksspielsucht“ in Adoleszenz und Erwachsenenalter

K Wölfling
1   Ambulanz für Spielsucht, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz
,
M Dreier
1   Ambulanz für Spielsucht, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz
,
KW Müller
1   Ambulanz für Spielsucht, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz
,
ME Beutel
2   Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
08. August 2017 (online)

 

Einleitung:

Aktuelle epidemiologische Studien, statistische Daten aus den 16 regionalen Fachstellen der Suchthilfe in Rheinland-Pfalz sowie konsekutiv gewonnene Daten aus der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie weisen aus, dass neben dem Spielen an Glücksspielautomaten die zunehmende Nutzung internetbasierter Glücksspielangebote unter Jugendlichen mit problematischem, suchtbezogenem Verhalten und Erleben assoziiert ist. Speziell Angebote wie Internetcasinos, Internetsportwetten und Online-Poker sind unter Jugendlichen mit problematischem Spielverhalten besonders beliebt. Eine weitere Nutzungsform in diesem Bereich stellen sog. „glücksspielnahe Internetapplikationen“ und (free-to-play) Browsergames mit Monetarisierungsanteilen dar, die möglicherweise ein erhöhtes, immanentes Suchtpotential besitzen.

Methodik:

In einer übergreifenden Analyse verschiedener Datenquellen (konsekutives klinisches Sample, Breitenbefragung unter Jugendlichen, Daten aus 16 spezialisierten regionalen Fachstellen der Suchtberatung in Rheinland-Pfalz) werden diese miteinander im Hinblick auf „Onlineglücksspielsucht“ verglichen und analysiert.

Ergebnisse:

Regressionsanalytisch gewonnene Daten aus zwei Breitenbefragungen in der Adoleszenz weisen darauf hin, dass die Nutzung internetbasierter Glücksspielangebote das Auftreten einer suchtartigen Glücksspielnutzung unter Jugendlichen zuverlässig vorhersagte. Die Verbreitung von sogenannten free-to-play-Browsergames, die auf dem Prinzip einer paywall (Bezahlschranke) basieren, senkt zudem die Hürden bei Jugendlichen, Geld im Internet einzusetzen. Eine Untersuchung der Psychosomatischen Klinik Mainz zum Glücksspielverhalten des Patientenklientels der Ambulanz für Spielsucht ergab u.a., dass unter Patienten mit der Diagnose „Pathologisches Glücksspielen“ signifikant mehr Geld für free-to-play-Browsergames im Vergleich zu nur problematischen hilfesuchenden Internet- und Glücksspielnutzern ausgegeben wurde. Analysen der Beratungssuchenden der Suchthilfe zeigen, dass die Formen von monetarisiertem Computerspiel und Onlineglücksspiel in beiden Formen als problematische Nutzung nicht selten sind und mit einer erhöhten Schulden- und Problemlast auf der psychischen Ebene einhergehen.

Schlussfolgerung:

Die Ergebnisse aus unterschiedlichen Datenquellen mit klinischem, epidemiologischem und versorgungsbezogenem Hintergrund zeigen, dass „Onlineglücksspiel“ und verwandte Subformen (glücksspielnahe Internetapplikationen) in den unterschiedlichen Populationen zunehmend auftauchen und dabei mit erhöhtem Geldaufwand und verstärkten psychosozialen Folgen einhergehen.