Zeitschrift für Phytotherapie 2017; 38(S 01): S1-S44
DOI: 10.1055/s-0037-1607139
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Phytotherapie in den Niederlanden: Die Sicht und Erfahrung des praktisch tätigen Arztes. Indikationen, Rezeptur, konsistent oder inkonsistent mit konventionellen Arzneimitteln

D Meijer
1   Ärztepraxis Meijer, Overdinkel, Niederlande
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Publication Date:
27 September 2017 (online)

 

Die Rolle der Phytotherapie hat sich in den letzten Jahrzehnten in den Niederlanden wesentlich geändert – zum Nachteil der Phytotherapie. In der Vergangenheit war Phytotherapie ein essentieller Bestandteil der Pharmakotherapie. Während des 20. Jahrhunderts verlor die Phytotherapie auch in den Niederlanden ihre Bedeutung durch die Entwicklung der pharmazeutischen Chemie, die Entwicklung von synthetischen Arzneimitteln und die aufstrebende pharmazeutische Industrie.

Zu allen Zeiten wurde Phytotherapie als Kräutermedizin von Heilkundigen praktiziert. Nach Angaben der Niederländische Gesellschaft für Phytotherapie wird auch zurzeit die Phytotherapie am meisten von Heilpraktikern angewendet [1]. Weiter wird ein großer Anteil von Heilpflanzen als Selbstmedikation eingesetzt und sowohl in Apotheken und Drogerien als auch über die Firmen verkauft, die mit Nahrungsergänzungsmitteln handeln. Es ist schwer abzuschätzen, wie groß diese Gruppe ist.

Eine richtige Ausbildung in der Phytotherapie für Mediziner, Veterinärmediziner und Pharmazeuten fehlt in unserem Land, weshalb die Akademiker meistens die Weiterbildung im Ausland machen. Unter dem starken Einfluss der evidenzbasierten Forschung in Medizin und Pharmazie blieben Bildung und Forschung in der Phytotherapie zurück. Bis zum Jahr 2000 gab es an den verschiedenen pharmazeutischen Fakultäten noch einen Lehrstuhl in der Phyto-Chemie oder Pharmakognosie. Zurzeit wird an der Fakultät der Bio-Farmaceutischen Wissenschaften in Leiden und der Wageningen University & Research (WUR) noch Forschung in der Phyto-Chemie durchgeführt.

Unter dem Einfluss der o.g. Situation beschäftigen sich relativ wenige Ärzte, Tierärzte und Pharmazeuten mit der Phytotherapie. In der alltäglichen Praxis wird Phytotherapie entweder als Ergänzung zur konventionellen Medizin oder – wenn es medizinisch zu verantworten ist – als risikolose und harmlose Arzneitherapie angewendet. Die Phytotherapeutika sind standardisierte Extrakte, die von der Natur-Apotheke in Pijnacker(NL) [2] für die Mehrheit der Verschreibungen auf Rezept verabreicht werden. Sie werden als Einzelpräparate und als magistrale Zubereitungen für den individuellen Patienten angefertigt. Die Zubereitungen von Ärzten, die TCM praktizieren, wurden in diesem Überblick nicht berücksichtigt. Das Rezept wird auf Grund einer sorgfältigen klinischen Diagnose erstellt.

Die häufigsten Indikationen für Phytotherapie sind Magen- und Darmbeschwerden, Atemwegs- und HNO-Erkrankungen, Harnwegserkrankungen, hormonelle Beschwerden, nervöse Beschwerden und Schlafstörungen. Da viele Patienten konventionelle Medikamente verwenden, ist es erforderlich, dass der Arzt gründliche Kenntnisse bezüglich möglicher Wechselwirkungen und Interaktionen zwischen Arzneimitteln und Phytotherapeutika hat, insbesondere bezüglich der Beeinflussung des Cytochrom-P450-Enzymsystems, Verlängerung der Blutgerinnung und Wechselwirkungen mit Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI).

Literatur:

[1] NVF – Niederländische Gesellschaft für Phytotherapie. http://fyto.nl

[2] www.natuurapotheek.com