Geburtshilfe Frauenheilkd 2018; 78(01): 83-92
DOI: 10.1055/s-0038-1625068
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Notwendigkeiten, Probleme und Lösungswege für eine adäquate Sprachmittlung bei Migrantinnen

C Schlichtenberger
1   GGGB, Berlin
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
11. Januar 2018 (online)

 

Nicht wenige Probleme bei der medizinischen Versorgung von Migrantinnen ergeben sich aus einer unangemessenen Sprachmittlung in der Behandlungssituation. Meist stehen keine medizinisch geschulten Übersetzer zur Verfügung, sondern die Behandelnden sind gezwungen, sich auf sogenanntes „Ad-hoc“ Übersetzen durch Angehörige, bilinguale Reinigungskräfte oder sonstiges Klinikpersonal zu verlassen. Eine Fehlerquote von über 50% durch semiprofessionelles Dolmetschen ist seit Jahren wissenschaftlich evaluiert und publiziert.

Eine kostengünstige Lösung, qualifizierte Dolmetscher vor allem auch für seltene Sprachen zu den Konsultationen dazu zunehmen, ist der Einsatz von medizinischen Videodolmetschern.

Ohne aufwendige Programminstallationen und mit nur wenigen technischen Voraussetzungen (Internetanschluss, Kamera, Mikro und Browser) kann ein medizinisch geschulter Dolmetscher in der Regel wenigen Minuten nach Anmeldung dazu geschaltet werden.

Das Pro-Bono-Projekt „Flüchtlinge verstehen“ der Dr. Roßbach, Mausch & Dr. Dangers GmbH bot 7 Monate 351 Ärzten, Kliniken und Gesundheitszentren die kostenfreie Möglichkeit, einen Videodolmetscher anzufordern. Das mehrfach ausgezeichnete Projekt wurde von der Bertelsmann-Stiftung mittels qualitativer Interviews evaluiert, die u.a. zu folgenden Ergebnissen kam:

  • Videodolmetschen kann eine sinnvolle und die Behandlungsqualität steigernde Ergänzung bei der Suche nach einer adäquaten Sprachmittlung in der Behandlung von Migranten sein.

  • Weiterhin braucht es mehr Grundlagenforschung zur Dimension der Herausforderung zu den Auswirkungen fehlender Sprachmittlung auf die Qualität der Behandlung zu quantifizieren. Dabei sollte auch geklärt werden, in welchen Behandlungssettings und bei welchen Indikationen eine professionelle Sprachmittlung von Nöten ist.

  • Es bedarf der Klarheit über Haftungsfragen in Bezug auf fehlerhafte Übersetzungen.

  • Angebote für digitale Dolmetscherdienste müssen flexibel ausgestaltet sein, sowohl was die Verfügbarkeit der Dolmetscher angeht, als auch was auch die Ausgestaltung des Dolmetscherdienstes je nach Kontext und Patientenpräferenzen angeht.

  • Je besser die Option fürs Videodolmetschen in den Praxisalltag bzw. in die Abläufe im Versorgungsalltag integriert ist, desto höher wird die Akzeptanz sein.