Zusammenfassung
Die funktionellen und strukturellen Folgen nach einer kindlichen Plexusparese werden
auch heute noch unzureichend erkannt und behandelt. Wir geben eine Übersicht zu aktu-ellen
konservativen und operativen Strategien und erklären unsere Eingriffe auf pathophysiologischer
Basis.
Material und Methoden: Seit dem Jahr 2000 haben wir in unserer speziellen Sprechstunde
über 1100 Kinder untersucht und beraten; mehrere hundert sog. Sekundäreingriffe wurden
durchgeführt. Bei allen Kindern werden zielgerichtet die aktiven und passiven Bewegungsausmaße
erfasst und Gelenkdeformitäten durch Röntgenbild und MRT dokumentiert. Mit der video-gestützten
Bewegungsanalyse haben wir in den letzten 10 Jahren ein verlässliches objektives Messverfahren
zur Hand, das bestimmte Bewegungsmuster und Kenngrößen analysiert.
Resultate: Aufgrund der “Einmaligkeit” jeder Plexusläsion in Schwere und Ausdehnung,
folglich auch in der Erholung ohne und mit Nervenrekonstruktion, bleibt die Beurteilung
der Behandlungserfolge individuell. Nur bestimmte Teilaspekte können in einer Gruppe
statistisch validiert werden. Allgemein gilt, dass Gelenkdeformitäten bei früher Behandlung
sich gut bessern können, Muskelverlagerungen im Vorschulalter bei entsprechend ausreichender
Kraft des Spendermuskels erfolgreich sind und unsere funktionelle Einschätzung (Bewegungsausmaße,
Kraft, Aufgabenlösung) immer auch mit der Wahrnehmung des Kindes und der Eltern korreliert
werden müssen.
Diskussion: Die Forderung nach evidenzbasierten Daten ist bei der Behandlung seltener
Erkrankungen und in vielen Details variierenden Opera-tionen sehr schwierig; außerdem
müssen in der funktionsverbessernden Chirurgie der oberen Extremität neben dem objektiven
Gewebezustand auch persönliche Motivation, Art und Umfang von gezielter Physiotherapie
und individueller Einsatz bei Sport und Handwerk berücksichtigt werden. Auch weiterhin
können wir nur auf der Pathophysiologie von Lähmung und Wachstumsstörungen basierende
allgemeine Behandlungsansätze vermitteln und uns um die Optimierung bestehender Verfahren
bemühen. Ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch zwischen den Behandlern und den Physiotherapeuten
ist zwingend erforderlich, nicht nur zum Wohl des Patienten, sondern auch, um die
Kenntnisse zu Bewegung, Lähmung, Muskel(un)gleichgewicht, Gewebekontrakturen und strukturellen
Verformungen einerseits und zu Inhalt und Evaluation therapeutischer Verfahren andererseits
auf beiden Seiten zu verbessern und abzustimmen.
Summary
Even today, functional and structural sequels after obstetric brachial plexus palsy
are insufficiently diagnosed and treated. We present a review on actual conservative
and operative strategies and describe our operations based on pathophysiology.
Material and methods: Since 2000, we examined and counciled over 1100 children in
our specific outpatient clinic, several hundred secondary surgeries were performed.
In all children, we measure the related active and passive range of motion; joint
deformities are documented by X-ray or MRI. Since 10 years, video-assisted motion
analysis became a reliable, objective measurement tool of the upper extremity, allowing
analysis of motion patterns and descriptive factors.
Results: As each plexus lesion is “unique” regarding severity, extend, recovery without
or with nerve repair, treatment outcome still is evaluated individually. Only selected
partial aspects may be validated by statistics within a group. As a general rule,
joint deformities treated early might be reversed, muscle transfers performed in the
preschool age are successful if the donor muscle is sufficiently strong, and our functional
evaluation (motion range, strength, task performance) always should be correlated
with the child’s and parent’s appreciation.
Discussion: Claiming evidence-based data for the treatment of rare affections and
for operations with many variable details remains very delicate. Moreover, when dealing
with functional reconstructive surgery of the upper limb, we should consider not only
the objective tissue parameters, but also personal motivation, type and intensity
of specific physiotherapy and individual use in sports and manual work. We continue
to stress general treatment rules, based on the pathophysiology of palsy and growth
impairment and try to improve existing surgical techniques. Regular exchange between
concerned physicians and therapists is mandatory, both for the improvement of the
patient and the continuous improvement of the knowledge on motion, palsy, muscle (im)balance,
tissue contractures and structural changes, and also the content and evaluation of
physiotherapeutic strategies.
Schlüsselwörter
Plexuslähmung - Kontraktur - Muskeltransposition - Physiotherapie - Bewegungsanalyse
Keywords
Plexus palsy - contracture - muscle transfer - physiotherapy - movement analysis