Psychother Psychosom Med Psychol 2018; 68(08): e11-e12
DOI: 10.1055/s-0038-1667900
SYMPOSIEN
Berufliche Gratifikationskrisen und Krankheit: Das Konzept und seine Weiterentwicklung. Symposium zum 75. Geburtstag von Johannes Siegrist
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Berufliche Gratifikationskrisen als Prädiktor manifester Erkrankungen: aktuelle epidemiologische Ansätze und offene Fragen

N Dragano
1   Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine Universität, Institut für Medizinische Soziologie, Düsseldorf, Deutschland
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Publication History

Publication Date:
06 August 2018 (online)

 

Einleitung:

Berufliche Gratifikationskrisen werden seit über 20 Jahren in der epidemiologischen Forschung verwendet, um Arbeitsstress zu operationalisieren und seine Folgen empirisch zu untersuchen. Während lange Zeit Querschnittsdesigns dominierten, liegt mittlerweile ein umfangreicher Fundus an Studien mit höheren Evidenzgrad vor (experimentelle und quasi-experimentelle Studien, Kohortenstudien). Dieser Beitrag gibt einen Überblick über aktuelle Befunde zur Frage, ob Gratifikationskrisen manifeste Krankheiten prädizieren und in welcher Stärke sie dies tun.

Material & Methoden:

Der Übersichtsbeitrag basiert auf einer Literaturrecherche in verschiedenen Datenbanken (Medline, EMBASE, PsycINFO, Social Sciences Citation Index, SCOPUS, google scholar). Gesucht werden Studien, die das Gratifikationskrisenmodel als Prädiktor verwenden und die ein experimentelles oder longitudinales Design haben. Entsprechende Publikationen in Deutscher und Englischer Sprache, die seit dem Jahr 2008 erschienen sind, werden berücksichtigt.

Ergebnisse:

Als erstes vorläufiges Ergebnis ist ein Anstieg der Publikation von Studien hoher Evidenz in jüngster Zeit zu konstatieren. Bei den untersuchten Outcomes dominieren Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische Erkrankungen. Allerdings liegen erste Studien auch für andere Public-Health-relevante Outcomes wie Stoffwechselerkrankungen oder Demenz vor. Die Ergebnisse deuten in die Richtung, dass berufliche Gratifikationskrisen das Risiko für nahezu alle Outcomes in moderater Stärke erhöhen.

Diskussion:

In jüngster Zeit wurden verschiedene überzeugende epidemiologische Belege für den prädiktiven Wert des Modells vorgelegt. Ein Ungleichgewicht von hoher Verausgabung und niedriger Belohnung könnte demnach ein signifikantes gesundheitliches Risiko darstellen. Interessante neure Entwicklungen in diesem Forschungsbereich sind zudem Versuch, die intermediären Pfade zwischen Belastung und Erkrankung experimentell und longitudinal zu untersuchen. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf.