Zeitschrift für Palliativmedizin 2018; 19(05): e11
DOI: 10.1055/s-0038-1669241
Vortrag
PS 9 Gesellschaft & Politik: Care Ethik: 06.09.2018 – 14:00 – 15:30 – Focke-Wulf Saal
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Scham- und Schulderleben am Lebensende. Eine qualitative Untersuchung zum emotionalen Erleben und zur Emotionsregulation bei Krankheit und am Lebensende

JM Schröder
1   TU Braunschweig, Institut für Psychologie, Abteilung für Entwicklungs-, Persönlichkeits- und Forensische Psychologie, Braunschweig, Germany
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Publication Date:
20 August 2018 (online)

 

Obwohl eine rege psychologische Forschung zum emotionalen Erleben im hohen Erwachsenenalter und am Lebensende zu beobachten ist, ist zur spezifischen Bedeutung selbstbewertender Emotionen wenig bekannt. Entwicklungsbedingte körperliche, emotionale und soziale Veränderungen sowie Bilanzierungsprozesse lassen jedoch vermuten, dass den moralischen Emotionen Scham und Schuld in dieser Lebensphase eine besondere Rolle zukommt. In dieser Studie wurden Scham und Schuld am Lebensende mithilfe halbstrukturierter problemzentrierter Interviews untersucht: Insgesamt n = 7 Experteninterviews wurden mit Angehörigen verschiedener Berufsgruppen aus den Bereichen medizinische Versorgung, Pflege und Begleitung von Menschen im hohen Lebensalter/am Lebensende, geführt. Aktuell finden Interviews mit direkt Betroffenen (n = ca. 15) im hohen Lebensalter/am Lebensende statt. Mittels qualitativer Inhaltsanalyse werden in einem ersten Schritt Situationen identifiziert, in denen Betroffene Scham und Schuld erleben, und (dys-)funktionale Emotionsregulationsstrategien, sowie Ressourcen und Hindernisse einer gelungenen Emotionsregulation analysiert. Insbesondere Scham wird häufig als überwältigend erlebt und es fehlen geeignete Formen des Umgangs mit dieser Emotion. Da die Unterscheidbarkeit von Scham und Schuld noch immer kontrovers diskutiert wird, liegt im zweiten Auswertungsschritt der Schwerpunkt auf der Differenzierbarkeit und dem situationsspezifischen Entstehungskontext beider Emotionen. Dass Scham und Schuld in den bisherigen Interviews zwar als disjunkt beschrieben, aber häufig intermittierend erlebt werden, deutet auf einen Prozesscharakter der Emotionen hin. Aus den Befunden lassen sich Handlungsempfehlungen für die Praxis ableiten, wobei für Behandelnde, Pflegende und Begleitende nicht zuletzt auch der Reflexion des eigenen professionellen und privaten Emotionserlebens eine wichtige Bedeutung zukommt.