Geburtshilfe Frauenheilkd 2018; 78(10): 109
DOI: 10.1055/s-0038-1671074
Poster
Donnerstag, 01.11.2018
Konservative Gynäkologie/Übergreifende Themen I
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Perinataldaten beim nationalsozialistischen „Lebensborn“ – dargestellt am Beispiel der Heime Pommern und Harz von 1938 bis 1942

C Hullmeine
1   Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
,
M David
2   Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Klinik für Gynäkologie, Berlin, Deutschland
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
20. September 2018 (online)

 

Zielsetzung:

Der „Lebensborn e.V.“ unterhielt im „III. Reich“ sieben Entbindungsheime, in denen mindestens 5334 Entbindungen stattfanden. Während die Strukturen, die nationalsozialistisch-ideologisierte Zielsetzung des „Lebensborn“ und mögliche Langzeitfolgen nach einer Geburt in diesen Heimen bereits vielfach dargestellt wurden, gibt es bisher keine wissenschaftliche Analyse der geburtshilflichen Daten dieser Heime.

Materialien und Methodik:

Im Rahmen einer umfassenden Datenerhebung wurden auch digitalisierte Perinataldaten im „Lebensborn“-Heim Pommern (Mai 1938 bis Dez. 1942) ausgewertet; außerdem erfolgte eine anonymisierte Handeingabe der Daten aus überlieferten Hebammen- und Geburtenbüchern des Heimes Harz. Erfasst wurden Geburtenzahlen, Geburtsmodus, geburtshilfliche Maßnahmen, Rate peripartaler Komplikationen.

Ergebnisse:

Die Säuglingsmortalität im Heim Pommern war die niedrigste aller Lebensbornheime: für den Zeitraum 1938 bis 1942 1,3% bei insgesamt 820 Geburten. Im Heim Harz wurden im gleichen Zeitraum 662 Entbindungen dokumentiert mit einer Säuglingssterblichkeit von 2,7%. Die Rate an Zangengeburten betrug 6% (Heim Pommern) vs. 2,7% (Heim Harz). Im ersten Quartal 1940 lag die Rate an Dammrissen bei 11,1% (Heim Pommern) gegenüber 5,6% (Heim Harz); die Episiotomiehäufigkeit lag im Heim Pommern bei 15,6%, im Heim Harz bei 5,6%. Von Januar bis Juni 1941 kam es im Heim Pommern in 5,5% zu Wochenbettkomplikationen, im Heim Harz in 9,2%.

Zusammenfassung:

Die vorliegende Arbeit liefert eine erste Analyse von Perinataldaten der Entbindungsheime des „Lebensborn“. Dabei werden erhebliche Unterschiede in der Anwendung ärztlicher, geburtshilflicher Maßnahmen ersichtlich, welche die Differenzen in der Säuglingsmortalität zum Teil erklären könnten. Die Lebensbornheime unterstanden teilweise keiner fachärztlichen Leitung. Die geburtshilfliche Arbeit und die Betreuung im Wochenbett hingen stark von den Fähigkeiten des ärztlichen Personals ab.