Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2018; 53(S 01): S15
DOI: 10.1055/s-0038-1675500
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Sonographie – eine Hymne aus dem Alltag

eine Glosse von Gernot Gorsewski, Landeskrankenhaus Feldkirch, im Namen der ARGE Perioperative Echokardio- und Sonographie
G Gorsewski
1   Landeskrankenhaus Feldkirch
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Publication Date:
14 November 2018 (online)

 

Der Arbeitstag des Anästhesisten Dr. Fleed R. Maus beginnt heute im OP. Es ist kein ganz normaler Tag, denn er hat einen 24-Stunden-Dienst vor sich.

Die erste Patientin ist gerade einmal 9 Monate alt und im besten „Specki“-Alter. Eine Leistenhernie soll operiert werden. Die „Zauber-Pflaster“ kleben zwar an sogenannten Prädilektionsstellen, eine Vene ist hier aber weder sicht- noch tastbar. Nach inhalativer Einleitung wird die Venenverweilkanüle schließlich ultraschall-gestützt in die V. saphena magna gelegt.

Als Dr. Fleed R. Maus das Kind postoperativ im Aufwachraum abgibt, wird er gebeten, noch einen Blick auf eine andere Patientin zu werfen. Sie schwächelt mit dem Blutdruck, bringt eine KHK mit und ist in der letzten Nacht mit einer zementierten H-TEP bei Femurfraktur versorgt worden. Die Liste der Differentialdiagnosen ist lang: Hypovolämie, Myokardischämie, Anaphylaxie, Herzinsuffizienz...? Das orientierende TTE zeigt dann eindeutige Zeichen einer Rechtsherzbelastung. Wahrscheinlich hat sie den Zement doch nicht so gut vertragen. Ein kurzes Telefonat macht den Weg frei für die Verlegung auf die Intensivstation.

Der nächste Patient von Dr. Fleed R. Maus hat schon einige Zeit auf dieser Intensivstation verbracht und wurde bereits vor 5 Tagen problemlos tracheotomiert. Dabei hatte der Ultraschall die Nadel vorbei an Gefäßen und Knorpelspangen zur Trachea geleitet, wo sie vom Bronchoskop bereits erwartet wurde. Am heutigen Vormittag waren schon ultraschall-kontrolliert 1200 ml Reizerguss drainiert und der ZVK-gewechselt worden, um den Patienten für eine offene Bauchrevision bei V. a. Anastomoseninsuffizienz vorzubereiten. Dr. Fleed R. Maus kann sich noch lebhaft an „die gute alte Zeit“ erinnern, als „staubtrockene“ Patienten einen landmarken-basierten ZVK erhalten sollten. 90 Minuten – 3 AnästhesistInnen – Pneumothoraces und mehrere dicke Hälse waren keine Seltenheit. Heute sind unsere Patienten und Patientinnen nicht mehr auf Helden angewiesen. Man sticht nur dorthin, wo auch eine Vene ist. Nicht zuletzt bleibt auch die Herzfrequenz der Ausbildenden eher im Normbereich, wenn sichtbar wird, wohin die Nadelspitze unterwegs ist. Natürlich kann man auch auf „den Röntgen-Thorax“ verzichten, wenn man postprozedural einen sonographischen Pneumothorax-Ausschluss durchführt.

Der Arbeitstag geht in den Dienstbetrieb über. Gereizte Stimmung in der Unfallambulanz. Einer drogenabhängigen Patientin stehen eine Venenpunktion und die Versorgung einer distalen UA-Fraktur bevor. Die Panik wird verständlich, wenn man bedenkt, dass bei der letzten Venenpunktion erst der 8. Versuch erfolgreich war. Die Turnusärztin wiederum erinnert sich an ihre Zeit in der Anästhesie und bittet gleich ihren Kollegen Dr. Fleed R. Maus um Hilfe. Die Augen der Patientin werden groß, als der Ultraschall eine ihr bis dato unbekannte Vene entdeckt, die sich auf Anhieb punktiert lässt. Als dann noch eine ultraschall-gestützte axilläre Blockade des Plexus brachialis eine schmerzfreie Operation ermöglicht, wird die Stimmung fast schon überschwänglich. Die Aufforderung eine Ultraschall-Dependance in Bahnhofsnähe zu eröffnen wird selbstverständlich kategorisch abgelehnt.

Eine Stunde später wird ein Patient unter Reanimation in den Schockraum eingeliefert. Die Notärztin hatte im Rahmen eines E-FAST präklinisch bereits einen Perikarderguss erkannt. Der Gedanke an eine Typ-A-Aortendissektion liegt nahe. Das TEE bestätigt leider den Verdacht. Die ultraschall-gestützte Arterienpunktion war zwar auch unter CPR gelungen, ist aber leider vergebens. In Ermangelung einer Therapieoption im Hause werden die Reanimationsbemühungen eingestellt. Immerhin wird niemand durch eine CT-Untersuchung unter manueller CPR einer unnötigen Strahlenbelastung ausgesetzt.

Der Abend verläuft erstaunlich ruhig. Aber wer ruft nachts um 2:30 Uhr an? Natürlich der Kreissaal. Die werdende Mutter hat in der Schwangerschaft leider viel Gewicht zugelegt. Dennoch ist die lumbale Skoliose nicht zu übersehen. Erfreulicherweise sind Fledermäuse nachtaktiv. Mit Hilfe des Curved-Array-Schallkopfs wird die „Mittellinie“ schnell gefunden und Stichhöhe, -winkel sowie die ungefähre Tiefe abgeschätzt. Und so kommt Dr. Fleed R. Maus nach erfreulich unkomplizierter PDK rasch wieder in das (noch warme) Bett. Beim Einschlafen denkt er: „Wie hat doch die Sonographie mein Berufsleben verändert.“