Geburtshilfe Frauenheilkd 2019; 79(02): 211
DOI: 10.1055/s-0039-1678378
Kurzvorträge 3: Psychosomatische Gynäkologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Weibliche Stuprum-Betroffene: Charakteristika von 850 angezeigten und an der Charité versorgten Fällen

L Fryszer
1   Klinik für Gynäkologie, Campus Virchow-Klinikum, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
H Hoffmann-Walbeck
2   Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum Brandenburg
,
S Etzold
3   Gewaltschutzambulanz, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
M Möckel
4   Notfallmedizin/Zentrale Notaufnahmen und Chest Pain Units, Campus Mitte und Campus Virchow-Klinikum, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
M David
1   Klinik für Gynäkologie, Campus Virchow-Klinikum, Charité Universitätsmedizin Berlin
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
18. Februar 2019 (online)

 

Einleitung Laut Prävalenzstudien erleben 5 – 6% der Frauen in Europa eine Vergewaltigung (lat. Stuprum). Vergewaltigungen wirken sich negativ auf die somatische, psychische und psychosoziale Gesundheit Betroffener aus. Die medizinische Erstversorgung hat Einfluss auf die körperliche und psychische Gesundheit sowie die Verarbeitung des Erlebten. Da Daten zu Umständen von Stuprum-Fällen Voraussetzung für die optimale Ausrichtung der Versorgung sind, erfolgte in dieser Studie die Erhebung von Charakteristika mutmaßlicher Stuprum-Fälle und Aspekten der medizinischen Versorgung.

Material und Methoden Es erfolgte die retrospektive Auswertung von standardisierten Befundbögen aller weiblichen, mutmaßlich Stuprum-Betroffenen, die mind. 16 Jahre alt waren, Anzeige erstattet hatten und von Januar 2011 bis Juni 2016 in einer der Charité-Rettungsstellen von der Polizei zur Versorgung vorgestellt wurden.

Ergebnisse 850 mutmaßliche Stuprum-Fälle wurden ausgewertet. Die Betroffenen waren im Mittel 29 Jahre alt. 6,4% gaben an, bereits zuvor eine Vergewaltigung erlebt zu haben. Der Tatverdächtige war den Betroffenen in 48,4% unbekannt, 26% entstammtem dem Freundes-/Bekanntenkreis. 15,5% waren Partner oder Expartner. ⅔ der mutmaßlichen Vergewaltigungen ereigneten sich in privaten Räumen, v. a. in Wohnungen der Betroffenen. Über ⅔ der Frauen hatten in zeitlicher Nähe zur Tat Alkohol getrunken. Extragenitale Verletzungen lagen bei 61,4% und anogenitale bei 25,4% der Betroffenen vor.

Schlussfolgerungen Es wurde erstmals eine so große Zahl mutmaßlicher Stuprum-Fälle in Deutschland analysiert. Insbesondere vor dem Hintergrund der unzureichenden Studienlage können die erhobenen Daten wegweisend für eine Ausrichtung der Erstversorgung von Frauen nach Stuprum sein, die u. a. negative psychosomatische Auswirkungen vermindern könnte.