Aktuelle Ernährungsmedizin 2019; 44(02): 139-140
DOI: 10.1055/s-0039-1684904
6) Klinische Ernährungsmedizin I: Prävention und Lebensstil
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Pathophysiologische Effekte von „Advanced Glycation Endproducts“ (AGEs) beim Menschen und Implikationen für die Ernährungsberatung und -therapie

M Alt
1   EUFH/praxisHochschule Campus Rheine
,
C Siegmann-Thoss
2   EUFH/praxisHochschule Campus Rheine, Studiengang Ernährungstherapie/Clinical Nutrition
,
M Smollich
3   Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Ernährungsmedizin
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
26. April 2019 (online)

 

Einleitung:

„Advanced Glycation Endproducts“ (AGEs) entstehen endogen wie exogen als Produkte der nicht-enzymatischen Glykierung im Rahmen der Maillard-Reaktion. Hochprozessierte westliche Kostformen werden aufgrund ihres vielfach hohen Gehalts an diätetischen AGEs (dAGEs) für die Entstehung zahlreicher chronischer Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Krebs und einen beschleunigten Alterungsprozess mitverantwortlich gemacht.

Da kausale Zusammenhänge zwischen der dAGE-Aufnahme und pathophysiologischen Effekte noch nicht belegt sind, soll diese Übersichtsarbeit die Frage klären, welche pathophysiologischen Effekte beim Menschen durch Ernährungsformen mit hohem (HAGE) im Vergleich zu niedrigem Gehalt (LAGE) an AGEs bekannt sind und inwieweit sich daraus Implikationen für die Ernährungsberatung und -therapie ableiten lassen.

Methodik:

Es wurden ausschließlich randomisiert-kontrollierte dAGE-Interventionen eingeschlossen, die anhand der Lebensmittelauswahl und/oder der Zubereitungsmethode eine Modifikation des AGE-Gehalts der Kost erreichten. Die systematische Recherche erfolgte anhand definierter Ein- und Ausschlusskriterien mittels der Datenbank PubMed und umfasste die vergangenen zehn Jahre. Sie wurde um eine Handsuche einschlägiger Fachzeitschriften und Literaturlisten ergänzt. Zur methodischen Qualitätsbeurteilung wurde das CONSORT-Statement genutzt.

Ergebnisse:

Es konnten 23 Publikationen (n = 605) aus acht Ländern in die Auswertung einbezogen werden. Die untersuchten Outcome-Parameter betrafen Effekte von dAGEs auf die kumulative AGE-Last, die Nährstoffresorption- und bioverfügbarkeit, das Darmmikrobiom, die Glukosehomöostase, endokrine Funktionen, Signaltransduktion sowie kardiometabolische/-vaskuläre Faktoren.

Einheitlich, jedoch ohne quantitativen Bezug, bestand eine Abhängigkeit von AGE-Last und dAGE-Aufnahme.

Eine kleine Studie [1] (n = 20 Adoleszente) wies inverse Zusammenhänge zwischen AGE-reichen Kostformen und der Resorption/Bioverfügbarkeit von Phosphat, Kupfer, Eisen und Protein nach. Einzelnachweise existieren für einen negativen Einfluss von HAGE-Diäten auf die Mikrobiomdiversität [2] und -quantität [3]. Mehrheitlich existieren Belege für dAGE-Einflüsse auf Signaltransduktionsprozesse, Glukosehomöostase und Inflammationsgeschehen. Die Datenlage zu kardiovaskulären/-metabolischen Faktoren bleibt widersprüchlich.

Starke Unterschiede der Studiendesigns erschwerten die Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Aufgrund multipler Limitationen und Einflussfaktoren, analytischer Schwächen und unzureichender Daten zur Struktur-Wirkungsbeziehung lassen sich aus den Ergebnissen keine Kausalitäten ableiten.

Fazit:

Mangels Nachweis kausaler Zusammenhänge von dAGE-Aufnahme mit pathophysiologischen Effekten, ergeben sich aktuell noch keine konkreten diätetischen Implikationen. Mit aktuellen Ernährungsempfehlungen konforme Diäten, die schonende Zubereitungstechniken betonen und auf ein günstiges Fettsäureverhältnis achten (vgl. mediterrane Ernährung), scheinen jedoch mit reduziertem dAGE-Gehalt und niedriger AGE-Last einherzugehen. Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, Metabolischem Syndrom oder chronischem Nierenversagen könnten von der Nutzung AGE-reduzierter Ernährungsformen profitieren.

Literatur:

[1] Seiquer, I.; Díaz-Alguacil, J.; Delgado-Andrade, C.; López-Frías, M.; Muñoz Hoyos, A.; Galdó, G.; Navarro, M. P. (2006): Diets rich in Maillard reaction products affect protein digestibility in adolescent males aged 11 – 14 y. In: The American journal of clinical nutrition 83 (5), S. 1082 – 1088. DOI: 10.1093/ajcn/83.5.1082.

[2] Yacoub, R.; Nugent, M.; Cai, W.; Nadkarni, G. H.; Chaves, L. D.; Abyad, S.; Honan, A. M. et al. (2017): Advanced glycation end products dietary restriction effects on bacterial gut microbiota in peritoneal dialysis patients; a randomized open label controlled trial 12 (9), e0184789. DOI: 10.1371/journal.pone.0184789.

[3] Seiquer, I.; Rubio, L. A.; Peinado, M. J.; Delgado-Andrade, C.; Navarro, M. P. (2014): Maillard reaction products modulate gut microbiota composition in adolescents. In: Molecular Nutrition & Food Research 58 (7), S. 1552 – 1560. DOI: 10.1002/mnfr.201300847.