Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 722
DOI: 10.1055/s-0039-1694537
Kongresstag 2: 17.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Übergewichtsprävention durch niedergelassene Kinderärzte – eine qualitative Interviewstudie zur ärztlichen Sichtweise auf die Umsetzbarkeit von ernährungsbezogener Prävention in der Praxis

J Curbach
1   Universität Regensburg, Regensburg
,
S Brandstetter
2   Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Regensburg (KUNO-Kliniken), Regensburg
,
M Strohmeier
3   Universität Regensburg, Fakultät für Medizin, Regensburg
,
B Warrelmann
4   Landesvereinigung für Gesundheit Bremen e.V., Regensburg
,
J Loss
5   Medizinische Soziologie, Institut für Epidemiologie und Präventivmedizin, Universität Regensburg, Regensburg
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
23 August 2019 (online)

 

Einleitung:

Pädiater können durch ärztliche Ernährungsberatung in der Übergewichtsprävention bei Kindern eine wichtige Rolle spielen. Bislang gibt es noch keine Studien zur Sichtweise von deutschen Pädiatern auf die Umsetzung von ernährungsbezogener Übergewichtsprävention in der ambulanten Versorgung. Ziel der Studie war zu explorieren,

  • ob und wie Pädiater präventive Ernährungsberatung für Kinder in ihrer Praxis durchführen,

  • welche Sichtweisen, Einstellungen und Verbesserungswünsche Pädiater zur Umsetzung von präventiver Ernährungsberatung haben,

  • und welche Barrieren sie wahrnehmen.

Methode:

Es wurden 17 niedergelassene Pädiater (m = 14, w = 3, Praxiserfahrung: 1 – 35J., Alter: 27 – 64J.) im Raum Ostbayern in semi-standardisierten, qualitativen Leitfadeninterviews befragt. Die Daten wurden computergestützt (Atlas.ti) inhaltsanalytisch nach Mayring ausgewertet.

Ergebnisse:

Alle Befragten fühlen sich zuständig für Übergewichtsprävention durch Ernährungsberatung und führen diese routinemäßig durch. Bei einsetzender Übergewichtsproblematik würden sie gerne intensiver beraten, berichten aber von folgenden Umsetzungsbarrieren: A) Strukturelle Barrieren im Versorgungssystem: fehlende Vergütung, mangelhaftes Informationsmaterial, mangelnde (Information zu) Anlaufstellen zur Weitervermittlung von Patienten, zu wenig Vernetzung mit Schulen/Kindergärten. B) Arztbezogene Barrieren: Frustration/Resignation, Skepsis in Bezug auf die Wirksamkeit der Beratung, eigener Kompetenzmangel (Ernährungswissen, Wissen zu effektiven Beratungsmethoden), Sorge um Patientenverlust. C) Patientenbezogene Barrieren: schwere Erreichbarkeit von Eltern (fehlendes Problembewusstsein, niedriger SES, Migrationshintergrund), Verunsicherung durch widersprüchliche Patienteninformationen.

Alle Ärzte berichten, dass sie ihre notwendigen Kompetenzen aus dem privaten Interessensbereich, kollegialem Austausch und ambulanter Berufserfahrung beziehen, und nicht aus Aus- und Fortbildung.

Diskussion:

Um die Motivation, den Glauben an die Wirksamkeit ihrer Beratung und die eigene Kompetenz zu stärken, müssten Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit ärztlicher Prävention und Evidenz zu effektiven Beratungsmethoden an die Ärzte vermittelt werden.