Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 722
DOI: 10.1055/s-0039-1694538
Kongresstag 2: 17.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Auswertung von qualitativen Interviews im Rahmen einer explorativen Studie zur Wirkung von Arbeitsschutz-Strukturen in der digitalisierten Arbeitswelt

A Georg
1   Dortmunder Forschungsbüro für Arbeit, Prävention und Politik (DOFAPP), Witten
,
K Guhlemann
2   sfs Dortmund/TU Dortmund, Dortmund
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Publication History

Publication Date:
23 August 2019 (online)

 

Einleitung:

Die digitale Transformation schafft in hohem Maße Arbeitsformen oder Arbeitsanteile, die nicht länger zu festen Zeiten an festen Orten stattfinden. Diese sind mit neuen oder veränderten Belastungen oder Gefährdungen verbunden. Flexible Arbeitszeiten und -orte stehen jedoch der Betriebsförmigkeit der Arbeitsschutzstrukturen gegenüber. Im Zentrum des geplanten Beitrags steht die Frage nach der Wirksamkeit von Arbeitsschutzstrukturen in der flexibilisierten Arbeitswelt.

Methode:

In Anlehnung an das Verfahren der Grounded Theory wurden 36 problemzentrierte Interviews mit betrieblichen und außerbetrieblichen Arbeitsschutz-Akteuren und Beschäftigten geführt und ausgewertet. Dabei wurden Typen flexibler Arbeit und die Vorgehensweisen der Akteure im Arbeitsschutz herausgearbeitet und in einem Ist-Soll-Vergleich gegenübergestellt.

Ergebnisse:

Es wird deutlich, dass die Flexibilisierung den Arbeitsschutz vor erhebliche Herausforderungen stellt. Die Auswertung zeigt Bereiche auf, in denen betriebliche Vorgehensweisen angepasst werden müssen, um den Herausforderungen zu genügen. Anforderungen an eine Neujustierung der institutionellen Arbeitsschutzstrukturen werden benannt. Es konnten 7 zentrale Phänomene identifiziert werden, die Probleme in der Passung zwischen flexibilisierter Arbeitswelt und Arbeitsschutzstrukturen beschreiben und die sich in der Kernkategorie der „Unsichtbarkeit“ des Arbeitsschutzes kondensieren.

Diskussion:

Die größten Probleme, die eine Wirksamkeit der Arbeitsschutzstrukturen in der digitalisierten Arbeitswelt erschweren, sind die fehlenden Zugriffsmöglichkeiten der Arbeitsschutzakteure auf die Beschäftigten, die fehlenden Zugänge zur großen Masse der KMU durch fehlende Ressourcen, Kooperationsprobleme der Arbeitsschutzakteure untereinander, die Hartnäckigkeit alter Leitbilder, die Verantwortungsverlagerung auf andere Akteure und schließlich die real fehlende Autonomie der Beschäftigten in den flexiblen Arbeitssituationen. All dies hat zur Folge, dass die Zukunftsfähigkeit des Arbeitsschutzes aktuell kritisch gesehen werden muss.