Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 731
DOI: 10.1055/s-0039-1694565
Kongresstag 3: 18.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Anwendung partizipativer Ansätze für diskriminierungsfreiere Forschung: ein Praxisbeispiel

C Santos-Hövener
1   Robert Koch Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
,
C Koschollek
2   Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
,
V Bremer
3   Robert Koch Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie, Berlin
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
23 August 2019 (online)

 

Einleitung:

Migrant/innen aus Subsahara-Afrika (MiSSA) sind disproportional zu ihrer Bevölkerungsgröße von HIV betroffen und ihre Präventionsbedarfe diesbezüglich waren bisher unbekannt. Forschung zu HIV bei MiSSA birgt jedoch die Gefahr, durch diese zu stigmatisieren und zu diskriminieren, da es sich um ein sensibles Thema handelt. Wir möchten der Frage nachgehen, inwieweit der Einsatz partizipativer Gesundheitsforschung im Kontext der HIV-Forschung bei MiSSA Stigmatisierung entgegenwirken kann.

Methoden:

Im Rahmen der „MiSSA-Studie“ hat das Robert Koch-Institut in Zusammenarbeit mit afrikanischen Community-Mitgliedern, Praktiker/innen und Wissenschaftler/innen einen partizipativen Forschungsprozess angeregt, um gemeinsam die Präventionsbedarfe von MiSSA zu identifizieren. Eine Arbeitsgruppe erarbeitete gemeinsam ein Studiendesign und einen Fragebogen, wobei die Entscheidungsmacht gleichberechtigt geteilt wurde. Die Datenerhebung vor Ort erfolgte in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen, die diese mit Peer Researchern durchführten.

Ergebnisse:

Die Akzeptanz der Studie spiegelt sich in der hohen Teilnehmendenanzahl von über 3.000 Personen, unter denen auch eher schwer erreichbare Subgruppen wie Personen ohne Krankenversicherung gut vertreten waren. Durch die Zusammenarbeit mit MiSSA konnte auch an Orten, die nicht traditionell für das Thema HIV zugänglich sind, wie Moscheen und Kirchen, rekrutiert werden. Eventueller Skepsis gegenüber der Befragung von Teilnehmenden begegneten Peer Researcher damit, dass sie den Nutzen der Studie für die Community herausstellten.

Diskussion:

Durch die geteilte Entscheidungsmacht zwischen Forschenden, Community-Mitgliedern und anderen Stakeholdern wurden nicht nur relevante und nutzbare Ergebnisse generiert, sondern auch ein gemeinsamer Lernprozess initiiert, in dem Forschende ein besseres Verständnis der Lebenswelt von MiSSA erhielten und diese neue Fähigkeiten als Forschende entwickelten. Dies führte in der Konsequenz zu einem diskriminierungsfreieren Umgang miteinander.