Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 732-733
DOI: 10.1055/s-0039-1694569
Kongresstag 3: 18.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sozioökonomische Deprivation und Lungenkrebsinzidenz in Deutschland: Bestandsaufnahme und Beitrag des Tabakrauchens

J Hoebel
1   Robert Koch-Institut, Berlin
,
B Wachtler
1   Robert Koch-Institut, Berlin
,
L Kroll
2   Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin
,
B Barnes
1   Robert Koch-Institut, Berlin
,
K Kraywinkel
1   Robert Koch-Institut, Berlin
,
T Lampert
1   Robert Koch-Institut, Berlin
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Publication History

Publication Date:
23 August 2019 (online)

 

Einleitung:

Ziel des Beitrags ist es, sozioökonomische Ungleichheiten in der Lungenkrebsinzidenz in Deutschland zu analysieren und abzuschätzen, welchen Erklärungsbeitrag das Tabakrauchen leistet.

Methodik:

Datengrundlage sind die gepoolten Daten der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland. Anhand der registrierten Lungenkrebsfälle wird die altersstandardisierte Inzidenz pro 100.000 Einwohner berechnet. Als Surrogat für den sozioökonomischen Status, der in den Krebsregisterdaten nicht auf Individualebene vorliegt, dient der German Index of Socioeconomic Deprivation (GISD) auf Kreisebene. Anhand von Mehrebenen-Poisson-Modellen werden der Relative Index of Inequality (RII) und Slope Index of Inequality (SII) berechnet, um sozioökonomische Ungleichheiten in der Lungenkrebsinzidenz zu ermitteln. Der Erklärungsbeitrag des Tabakrauchens wird anhand der Rauchprävalenz auf Kreisebene analysiert, die mittels kleinräumiger Mikrozensus-Daten geschätzt wird.

Ergebnisse:

Bei Männern zeigt sich in den sozioökonomisch am stärksten deprivierten Kreisen die höchste Lungenkrebsinzidenz (RII = 1,50 [95%-KI 1,40 – 1,61]; SII = 37,1 [95%-KI 30,5 – 43,7]). Die Inzidenzraten steigen mit zunehmender Deprivation sukzessive an. Bei Frauen bestehen diese Ungleichheiten nicht (RII = 1,07 [95%-KI 0,96 – 1,21]; SII = 2,7 [95%-KI -1,7 – 7,0]). Bei Kontrolle für die aktuelle Rauchprävalenz auf Kreisebene reduziert sich der Deprivationseffekt (als Average Marginal Effect) bei Männern um 27%. Wird für die Lebenszeitprävalenz des Rauchens kontrolliert, liegt der Erklärungsbeitrag bei 17%.

Diskussion:

Die Ergebnisse weisen auf einen Einfluss des sozioökonomischen Status auf das Lungenkrebsrisiko von Männern hin, der zu einem erheblichen Anteil, aber nicht vollständig durch das Tabakrauchen erklärt wird. Dass sich die Lungenkrebs-Ungleichheiten bei Frauen (noch) nicht zeigen, dürfte daran liegen, dass Ungleichheiten in den Raucherkarrieren bei Frauen älterer Kohorten wesentlich schwächer ausgeprägt sind als bei Männern und bei Frauen jüngerer Kohorten.