Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 751-752
DOI: 10.1055/s-0039-1694627
Kongresstag 3: 18.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schmerzen und Schmerzmittelgebrauch bei Überschuldeten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung

J Warth
1   Institut für Hausarztmedizin, Universität Bonn, Bonn
,
MT Puth
1   Institut für Hausarztmedizin, Universität Bonn, Bonn
2   Institut für Medizinische Biometrie, Informatik und Epidemiologie (IMBIE), Universitätsklinikum Bonn, Bonn
,
J Tillmann
1   Institut für Hausarztmedizin, Universität Bonn, Bonn
,
J Porz
1   Institut für Hausarztmedizin, Universität Bonn, Bonn
,
K Weckbecker
3   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf, Bonn
1   Institut für Hausarztmedizin, Universität Bonn, Bonn
,
E Münster
1   Institut für Hausarztmedizin, Universität Bonn, Bonn
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
23 August 2019 (online)

 

Einleitung:

In Deutschland gilt aktuell rund jeder zehnte Erwachsene aufgrund nachhaltiger Zahlungsschwierigkeiten bis hin zur Zahlungsunfähigkeit als überschuldet. Studien belegen, dass eine Überschuldungssituation in Zusammenhang mit erhöhter Prävalenz körperlicher wie auch psychischer Erkrankungen steht. Bisher liegen jedoch keine wissenschaftlichen Befunde über Schmerzen und Schmerzmittelgebrauch für diese Bevölkerungsgruppe vor.

Methoden:

Daten einer Querschnittsstudie unter überschuldeten Privatpersonen in 70 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen (n = 699) wurden mit der ersten Erhebungswelle der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1, n = 7.987) verknüpft. Mittels deskriptiver Statistik und multipler logistischer Regression wurde der Zusammenhang zwischen Überschuldung und Schmerzen sowie Schmerzmittelgebrauch von insgesamt 7.560 Befragten mit vollständigen Angaben in den Zielvariablen untersucht.

Ergebnisse:

Überschuldete berichteten häufiger (71,3%) über Schmerzen als die Allgemeinbevölkerung (59,6%). Die Anwendungsrate von Schmerzmitteln lag in beiden Gruppen bei rund 13%. Überschuldete wiesen ein signifikant erhöhtes Schmerzrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung auf (adjustiertes Odds Ratio (aOR) 1,30; 95% Konfidenzintervall (KI) 1,07 – 1,59), das Risiko der Einnahme von Schmerzmitteln ist bei Überschuldeten jedoch vermindert (aOR 0,76; 95%-KI 0,58 – 0,99). Diese Effekte sind unter Berücksichtigung soziodemographischer (Geschlecht, Alter, Familienstand, Bildung, Erwerbsstatus) und gesundheitsbezogener Faktoren (chronische Erkrankung, Depression/Angststörung) vorhanden.

Diskussion:

Obwohl die Prävalenz von Schmerzen bei Überschuldeten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich erhöht ist, nehmen sie eher keine Schmerzmittel ein. Dieser Befund könnte darauf hinweisen, dass Überschuldete bei akuten Schmerzen eher auf die Anwendung von Schmerzmitteln verzichten. Geltende Regelungen der Zahlung von (Selbst-)Medikation könnten eine Zugangsbarriere zur Gesundheitsversorgung darstellen, die Versorgungslücken bei Überschuldeten verursacht und damit Public Health-Maßnahmen erfordert.