Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696143
Symposien
S16  Phänomenologische, neurobiologische, klinische, affektive sowie kognitive Faktoren der Compulsive Sexual Behavior Disorder
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Zusammenspiel von affektive Reaktionen und Inhibitionskontrolle im Kontext der Internet-pornography-use disorder

S Antons
Universität Duisburg-Essen
,
M Brand
Universität Duisburg-Essen
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Publication History

Publication Date:
03 September 2019 (online)

 

Einleitung Innerhalb der Internet-pornografie-use disorder (IPD) verlieren Betroffene die Kontrolle über ihren Pornographiekonsum und führen diesen trotz negativer Konsequenzen fort. Dieser Kontrollverlust ist häufig besonders stark, wenn affektive Reaktionen, wie akuter Stress und Craving vorhanden sind. Theoretische Modelle, wie das I-PACE Modell legen nahe, dass das Zusammenspiel zwischen affektiven Reaktionen und einer reduzierten Inhibitionskontrolle die Entwicklung einer IPD begünstigen können. Die vorliegende Studie hat zum Ziel die Interaktion zwischen Inhibitionsfähigkeit, akutem Stress und Craving als Prädiktoren der Symptomschwere einer IPD zu untersuchen.

Methode An der experimentellen Studie nahmen 97 männliche, heterosexuelle Internet-Pornografie Nutzer teil. Die Teilnehmer wurden zunächst dem PASAT-C, einer Aufgabe, die als akuten Stressor diente, ausgesetzt. Daraufhin wurde das akute Stressempfinden erfragt und eine Stopp-Signal Task (SST) welche explizit pornographische Bilder beinhaltete, durchgeführt. Anschließend wurde das aktuelle Craving und die Symptomschwere einer IPD erfasst.

Ergebnis Die Ergebnisse zeigen, dass die Inhibitionsleistung, das Stressempfinden und Craving signifikante Prädiktoren der IPD Symptomschwere sind. Moderierte Regressionsanalysen ergeben außerdem eine Dreifachinteraktion zwischen den Prädiktoren. Männer mit reduzierter Inhibitionsleistung haben tendenziell eine mittlere, unproblematische, Symptomschwere, unabhängig von der Höhe des akuten Stresslevels oder des Cravings. Bei guter Inhibitionsleistung weisen insbesondere die Personen eine hohe Symptomschwere auf, die ein hohes Craving wie auch bei gleichzeitigem Auftreten mit einem hohen Stressempfinden aufweisen. Personen mit niedrigem Craving zeigen grundsätzlich eine geringere Symptomschwere.

Diskussion Die Ergebnisse legen nahe, dass Inhibitionsleistung, Stressempfinden und Craving relevante Faktoren in der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer IPD spielen. In Kombination mit akutem Stress und Craving scheinen jedoch die Personen mit und einer guten Inhibitionsleistung die höchste Symptomschwere einer IPD aufzuweisen. Der aus der Suchtforschung bekannte Übergang von Gratifikation zu Kompensation und eine erhöhte Aufmerksamkeit bei der Konfrontation mit suchtrelevanten Reizen können Mechanismen sein, die die vorliegenden Ergebnisse erklären.