Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696193
Symposien
S29 Sucht und Prävention bei marginalisierten Gruppen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sucht und Familie – eine Frage der Akkulturation?

M Klein
Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen (KatHO NRW); Deutsches Institut für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP
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Publication Date:
03 September 2019 (online)

 

Der Begriff der Akkulturation bezeichnet wörtlich die Hinzufügung zu einer zunächst fremden Kultur. Die klassische Kulturwissenschaft unterscheidet zwischen den vier Formen der Akkulturation: Segregation, Integration, Assimilation und Marginalisierung. Die transgenerationale und intrafamiliale Situation einer suchtbelasteten Familie wurde bislang nicht unter dem kulturwissenschaftlichen Blick der Akkulturation und Migration betrachtet. Gerade das Leben und die Herausnahme von Kindern aus suchtbelasteten Familien und die Fremdplatzierung in Pflege- und Adoptionsfamilien kann jedoch unter migrationsspezifischen Aspekten im Rahmen eines oft radikalen Kulturwechsels verstanden werden. Bei allen Gemeinsamkeiten zwischen den familienpsychologischen Konzepten und den kulturwissenschaftlichen Theorien bestehen auch konzeptionelle Unterschiede. Anhand vorliegender Studiendaten aus der familienbezogenen Suchtforschung werden diese Konvergenzen und Divergenzen aufgezeigt. Während normalerweise Akkulturation in psychisch gesunden Familien zu geringeren Alkoholproblemen im Jugendalter führt, ist dieses Verhältnis bei Kindern in suchtbelasteten Familien umgekehrt. Entsprechende Daten aus populationsbezogenen und klinischen Studien werden vorgestellt und hinsichtlich der Implikationen für Prävention, Therapie und Sicherung des Kindeswohls diskutiert. Basierend auf den vorliegenden Studienresultaten bedeutet Resilienz in suchtbelasteten Familien dann eine extrafamiliale Akkulturation, die zur Stärkung der Stressresistenz führt. Abschließend erfolgt ein Blick auf das noch wenig beforschte Konzept der Familienresilienz unter den genannten Schwerpunkten.