Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696228
Symposien
S38 Aktuelle Aspekte in Suchtforschung und Suchttherapie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Was können Cannabinoide und psychosozialer Stress auf Genexpressionsmuster des Gehirns bewirken?

U Havemann-Reinecke
1   Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Göttingen (UMG)
2   Göttingen; Center Nanoscale Microscopy and Molecular Physiology of the Brain (CNMPB), Universität Göttingen
,
J Tomas-Roig
3   Girona Neuroimmunology and Multiple Sclerosis Unit (UNIEMTG)
4   Dr. J. Trueta University Hospital and Neurodegeration and Neuroinflammation Res Group, Girona Biomedical Research Institute (IDIBGI), Spanien
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Publication Date:
03 September 2019 (online)

 

Einleitung Cannabiskonsum kann zu Abhängigkeitserkrankung und Psychosen führen. Welche Mechanismen hieran ursächlich beteiligt sind, ist nicht sicher geklärt. Verschiedene Befunde weisen auf einen engen Zusammenhang von stressbezogenem Erleben und süchtigem Verhalten und Psychosen hin. Cannabinoid-Rezeptoren [1] im Gehirn sind an der Regulierung der Glucocorticoid-Stress-Achse sowie auch des dopaminergen Belohnungssystems beteiligt. In diesem Beitrag sollen Daten zur Genexpression unter Cannabinoiden und psychosozialem Stress vorgestellt werden.

Methode In Mäusen wurden die Wirkungen von chronisch psychosozialem Stress und Cannabinoiden auf Genexpressionsmuster von verschiedenen Kandidatengenen in unterschiedlichen Hirngebieten (Hippocampus, Dorsales Striatum, Präfrontaler Kortex (PFC), Cerebellum) untersucht. Hierbei wurden die Gene ausgewählt, die in vorherigen RNA-Sequenzierungsuntersuchungen als statistisch signifikant unter Stress und Cannabinoiden ermittelt worden waren und nachweislich beteiligt sind an Neurotransmission, psychiatrischen Erkrankungen und Myelin-bezogenen Prozessen.

Ergebnisse Es ergaben sich 35 Kandidatengene, die mittels digitaler Multiplex Genexpressions-(NanoString) Analyse bezüglich ihrer Expression untersucht wurden. Chronisch psychosozialer Stress erhöhte die mRNA Level der Dopamin D2-Rezeptoren im PFC und erniedrigte gleichzeitig dort und im Cerebellum die Expression von Neuregulin-1 signifikant. Akute Injektion des Cannabinoid-Agonisten WIN55212. (3 mg) reduzierte die striatalen Level der Dopamin D2 Rezeptorgen-Expression über eine Aktivierung der Cannabinoid 1-Rezeptoren, wie durch Antagonisierung mittels des Cannabinoid-Antagonisten (Rimonabant) gezeigt werden konnte. Eine Analyse der Interaktion von Cannabinoid und chronisch psychosozialem Stress dagegen zeigte, dass gestresste Mäuse, die mit dem Cannabinoid-Agonisten WIN55212.2 behandelt worden waren, im PFC im Vergleich zu Kontrollen eine erniedrigte Expression der Dopamine D1 und -D2-Rezeptorgene aufwiesen, sowie von Myelin-bezogenen Genen und SRY-box 10.

Schlussfolgerung Die Wirkung von akutem Cannabinoid-Agonisten einerseits und von chronisch psychosozialem Stress andererseits interagieren besonders auf der Ebene des PFC direkt mit dem mesocorticalen dopaminergen System.

 
  • Literatur

  • 1 Tomas-Roig J, Havemann-Reinecke U. Gene expression signature in brain regions exposed to long-term psychosocial stress following acute challenge with cannabinoid drugs. Psychoneuroendocrinology 2019; 102: 1-8