Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696258
Symposien
S45 Merkmale und Charakterisierung von Verhaltenssüchtent
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Evidenzlage Bewegungssucht – ein systematischer Review

UG Buchner
1   DHGS Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport
,
M Walter
2   Universitäre Psychiatrische Kliniken, Universität Basel
,
U Lang
2   Universitäre Psychiatrische Kliniken, Universität Basel
,
G Wiesbeck
2   Universitäre Psychiatrische Kliniken, Universität Basel
,
F Colledge
3   Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit, Universität Basel
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
03 September 2019 (online)

 

Hintergrund In den vergangenen Jahren ist die Anzahl an Studien zu „Exercise Addiction“ (Bewegungssucht) stark angestiegen. Laut PubMed finden sich 1998 lediglich 8 Artikel mit dem entsprechenden Schlagwort, 2018 sind es bereits 118 Artikel. Aktuell findet sich Bewegungssucht weder im DSM-5, noch ist eine Aufnahme in das ICD-11 vorgesehen. Dies liegt unter anderem daran, dass unklar ist, ob es sich um ein eigenständiges Störungsbild handelt oder das Symptom lediglich im Rahmen anderer Erkrankungen auftritt. Daher bietet sich an, die aktuelle Studienlage hinsichtlich der bislang identifizierten zugehörigen Symptome darzustellen und in einem systematischen Review zu integrieren.

Methoden Studien mit Fokus auf Personen mit exzessivem Bewegungsverhalten wurden über die Datenbanken PubMed, Web of Science und PsycInfo identifiziert. Die Literatur wurde systematisch hinsichtlich der benannten Symptome ausgewertet; potentielle Diskrepanzen zwischen qualitativen und quantitativen Erhebungen wurden erfasst.

Ergebnisse Bei genauerer Betrachtung der Studienlage zeigt sich, dass in diesem Bereich bislang in erster Linie Querschnittsuntersuchungen durchgeführt wurden, während es aktuell an grundlegenden klinischen Untersuchungen mangelt. Die identifizierte Liste von Symptomen weist eine Vielzahl von Ähnlichkeiten mit den Kriterien auf, die bei der Diagnostik einer Substanzgebrauchsstörung herangezogen werden. Es finden sich zudem weitere Symptome, die sich spezifisch auf den Kontext Training bzw. Sport beziehen, etwa ein schlechtes Gewissen bei versäumten Trainingseinheiten oder kompensatorische Ernährungsumstellungen. Die in qualitativen klinischen Untersuchungen identifizierten Kriterien zur Einschätzungen einer Bewegungssuchtgefährdung unterscheiden sich von Ergebnissen, die anhand quantitativer Erhebungen identifiziert wurden.

Diskussion Die bisherige Studienlage zeigt verschiedene Parallelen zwischen exzessivem Bewegungsverhalten und Verhaltenssüchten auf. Es zeigen sich aber auch Unterschiede in den Ergebnissen der qualitativen und quantitativen Erhebungen, die eine weitere Untersuchung der Symptomatik notwendig machen. Zudem erlaubt die vorliegende Datenlage keine abschließende Beurteilung, ob das gezeigte exzessive Bewegungsverhalten ein eigenständiges Störungsbild darstellt oder ausschließlich begleitend zu anderen Störungsbildern auftritt. Der Bedarf an weiterer Forschung in Bezug auf diese Symptomatik wird diskutiert.