Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696263
Symposien
S46 Risikofaktoren und Trends aus der Versorgung von Suchterkrankungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Trends des (problematischen) Opioid-Analgetika-Gebrauchs bei Kassenpatienten

Epidemiologische Analysen von Verschreibungsdaten der GKV der Jahre 2006 – 2016
S Buth
1   Institut für Interdisziplinäre Suchtforschung
,
R Holzbach
2   Klinikum Hochsauerland
,
MS Martens
3   Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS)
,
U Verthein
3   Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS)
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Publication History

Publication Date:
03 September 2019 (online)

 

Einleitung Für Patienten mit starken Schmerzen stellen Opioidanalgetika [OA] oftmals die einzige Möglichkeit dar, die Symptome und krankheitsbedingten Einschränkungen der Lebensführung auf ein erträgliches Maß zu minimieren. Gleichwohl ist die Einnahme dieser Medikamente mit erheblichen Risiken verbunden. Sofern deren Anwendung nicht ärztlich eng begleitet wird, besteht das Risiko einer sich entwickelnden Abhängigkeit.

Methode Die Analysen basieren auf Rezeptdaten von GKV-Patienten der Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Niedersachsen. Dargestellt werden Trends der OA-Verordnungen (Prävalenz, Dosis) für die Jahre 2006 – 2016 differenziert nach Geschlecht, Alter, Wirkstoff und WHO-Klassifikation. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Identifizierung von potenziellen (Risiko-)Gruppen unter den OA-Patienten ohne Krebserkrankung.

Ergebnisse Die Zahl der Patienten, die zwischen 2006 bis 2016 ein Opioidanalgetikum verschrieben bekamen, hat leicht zugenommen (2006: 4,2%; 2016: 4,9%). Die Einnahmedauer und Dosis änderten sich innerhalb dieses Zeitraumes jedoch kaum.Mit Blick auf die WHO-Stufe-II-Medikamente ist ein deutlicher Abfall des Anteils der Tramadol-Patienten zu erkennen, während Tilidin immer häufiger verordnet wird. Bei den WHO-Stufe-III-Medikamenten ist die Entwicklung von Oxycodon auffällig, dessen Anteile sich mehr als verdoppelten.

Etwas mehr als ein Fünftel der OA-Patienten (ohne Krebserkrankung) erhielt im Jahre 2015 diese Medikamente länger als neun Monate in einer Dosis, die im Mittel maximal einer DDD entspricht. Darüber hinaus wurden 6% der Nicht-Tumorpatienten über neun Monate oder länger OA verordnet, die Wirkstoffdosen von mehr als einer DDD pro Tag beinhalteten.

Diskussion Mit dieser Studie werden erstmals empirisch gesicherte Erkenntnisse zu den langjährigen Trends des Gebrauchs von OA vorgelegt, auf deren Basis Präventions- und Hilfsangebote sowie zukünftige (Um-)Steuerungsmaßnahmen entwickelt und angewendet werden können. Anzeichen für eine Opioid-Epidemie, wie beispielsweise in den USA, sind für Deutschland aktuell nicht zu erkennen. Aufmerken lässt gleichwohl der hohe Anteil der OA-Langzeitverschreibungen, besteht doch – abgesehen von Krebs – nur bei wenigen Erkrankungen eine Indikation für Behandlungen mit diesen Medikamenten, die über ein halbes Jahr hinausgehen.