Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696271
Symposien
S49  Charakteristika, Einflussfaktoren, Therapie und Intervention bei substanzgebundenen Süchten
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Rolle der Veränderungsmotivation in der Behandlung junger Patienten mit polytoxikomaner Abhängigkeitserkrankung

T Schott
1   Klinikum Chemnitz
2   Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden
,
F Haarig
2   Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden
,
T Barth
1   Klinikum Chemnitz
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Publication History

Publication Date:
03 September 2019 (online)

 

Fragestellung Ein vorzeitiger Behandlungsabbruch stellt eines der häufigsten Probleme in der stationären Entgiftungsbehandlung dar. Bisherige Erhebungen gingen von Abbruchquoten zwischen 40 und weit über 60% aus. Dabei durchläuft eine Vielzahl der Patienten mehrmalige Behandlungen. Die vorliegende klinische Studie, durchgeführt auf der Station für junge Erwachsene (18 – 40 Jahre) mit polytoxikomanem Suchtverhalten an der Psychiatrischen Klinik des Klinikum Chemnitz, einem Krankhaus der Maximalversorgung, ist deshalb der Frage nach der Rolle motivationaler Faktoren in diesem Zusammenhang nachgegangen.

Methode Es wurden 85 Patienten (davon 37 Patienten mit vorzeitigen Behandlungsabbruch), neben den routinemäßig erhobenen Befunddaten, zum Zeitpunkt der Aufnahme als auch der Entlassung (sofern die Behandlung beendet wurde), der Fragebogen zur Stärke der Symptomausprägung psychischer Störungen (BSCL), der Fragebogen zur Erfassung der Funktionsbeeinträchtigung bei psychischen Störungen (ICF-AT 50 Psych) sowie einer Übersetzung des Fragebogens zur Erfassung der Veränderungsmotivation (URICA), angelehnt an das transtheoretische Modell (Prochaska & DiClemente), vorgelegt und statistisch mit dem Therapieverlauf (u. a. Abbrüche) und dem Einfluss bestimmter Drogen korreliert.

Ergebnisse Eine erfolgreiche absolvierte Behandlung (N = 48) reduziert signifikant die Symptomschwere psychischer Störungen (BSCL) sowie Funktionsbeeinträchtigungen (ICF AT-50 Psych). Auf der Ebene der einzelnen Phasen der Veränderungsmotivation (URICA) zeichnet sich ein signifikanter Zuwachs in der Handlungsphase (d = .553). Weiterhin gaben Patienten, die die Behandlung beendet haben, zum Aufnahmezeitpunkt eine signifikant höhere Veränderungsmotivation (d = .505) sowie stärkerer Ausprägungen in der Phase der Absichtsbildung (d = .545) sowie Aufrechterhaltungsphase (d = .578) an, als Patienten, die die Behandlung vorzeitig abgebrochen haben. Patienten mit einem aktuellen Crystal-Konsum besaßen ein höheres Abbruchsrisiko und gaben zu Behandlungsbeginn eine signifikant geringere Veränderungsmotivation (d=-.412) sowie tendenziell mehr Absichtslosigkeit/geringere Absichtsbildung an, als Patienten ohne aktuellen Crystal-Konsum.

Schlussfolgerung Neben den bekannten Risiken für einen Abbruch, z. B. Bildungsstatus oder Anzahl der Haftstrafen, scheint die messbare Veränderungsmotivation zu Beginn der Behandlung einen möglichen Marker für den Behandlungsverlauf darzustellen. Implikationen für die klinische Praxis werden aus den Ergebnissen abgeleitet.