Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696293
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Passiv-aggressive Persönlichkeitsstörungen bei jugendlichen Suchtkranken

O Bilke-Hentsch
Modellstation SOMOSA
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Publication Date:
03 September 2019 (online)

 

Einleitung Sucht-Psychiatrie und -Psychotherapie der Adoleszenz sind stets eng mit gesellschaftlichen Prozessen verwoben. Überfluss und gleichzeitiger Mangel fordern in der Spätmoderne eine differenzierte individuelle Entwicklung, um sich in der Medien- und Konsumwelt adäquat zu bewegen. Es ist die Frage, welche Kulturtechniken hierzu nützlich sind, beziehungsweise entwickelt oder vielleicht noch erfunden werden müssen. Jedenfalls befinden wir uns in einer beachtlichen gesellschaftlichen Übergangsphase, vielleicht gar Metamorphose (Beck, 2016), in der u. a. die Schere weiter auseinander geht zwischen den psychisch und sozial belasteten Kindern und Jugendlichen und denen, die die vielfältigen Möglichkeiten des Systems nutzen.

Klinische Problematik Von wachsender Bedeutung ist 2017 eine Generation von männlichen Jugendlichen, deren primärer Aktivierungsgrad gering ist und die scheinbar unmotiviert durch das Leben gleiten. Sie erwarten von Erwachsenen wenig – außer finanzieller Unterstützung und einigen wenigen, der Bologna-Logik entsprechend überschaubar gestalteten Aufgaben. Klinisch zeigen sich zunehmend junge Männer, die bei guter intellektueller Ausstattung und ohne relative sozioökonomische Risiken den Eintritt in die spätmoderne Leistungsgesellschaft verweigern. Zum Teil tritt die – im japanischen Hikikomori genannte – Variante des vollständigen sozialen Rückzugs und der protrahierten Pubertätsaskese auf. Diese jungen Männer sind erstaunlich zufrieden mit einem relativ überschaubaren Leben, vor allem, wenn das Smartphone einen Zugang zu virtuellem Leben ermöglicht. Die elterliche Erziehungs- und Beeinflussungskompetenz wirkt begrenzt, wichtige Übergangssituationen wie der in der Schweiz früh einsetzende Berufseintritt oder der Übergang zum Studium, werden häufig zu Punkten des Scheiterns.

Diskussion Kategorien wie Burnout, passiv-aggressive Persönlichkeit, mittelgradige Depression, soziale Phobie, atypischer Autismus – sie alle fassen nur einen oberflächlichen Teil der Gesamtproblematik. Aus einer phänomenologisch-anthropologischen Sicht ist dieser Idealtypus bedeutsam, da ihre Therapie höchst aufwendig und ressourcenverbrauchend ist. Klinische Ansätze dafür werden im Kontext der Literatur dargestellt.