Z Geburtshilfe Neonatol 2019; 223(S 01): E5-E6
DOI: 10.1055/s-0039-3401082
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Qualitätssicherungsrichtlinie Früh- und Reifgeborene (QFR-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) als Qualitätsrisiko? Analyse zu Erfüllungsgrad und Konsequenzen für die Versorgung weiterer Patienten sowie drohender Frühgeburten an Perinatalzentren Level 1

M Kleeberg
1   Cnopf'sche Kinderklinik, Neonatologie, Nürnberg, Deutschland
,
M Schroth
1   Cnopf'sche Kinderklinik, Neonatologie, Nürnberg, Deutschland
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Publication Date:
27 November 2019 (online)

 

Hintergrund:

Die QFR-RL des G-BA stellt aufgrund hoher personeller Anforderungen eine Herausforderung für die versorgenden Zentren dar. Die aktuelle Diskussion ergibt in Summe große Bedenken bei den Perinatalzentren (PNZ), die Richtlinie dauerhaft und lückenlos erfüllen zu können.

In der vorliegenden Analyse wurde einerseits der „Erfüllungsgrad“ in einzelnen PNZ ermittelt und andererseits evaluiert, wie sich darunter die Versorgung weiterer Patientengruppen und die noch freie pflegerische Personalkapazität (pPK) für akut zu versorgende FG darstellt.

Methodik:

Aus einem regionalen Verbund von vier großen PNZ (Level 1) mit zusammen ca. 10.000 Geburten pro Jahr wurde der Anteil der 1:1/1:2-Versorgten, Patientenzahl pro Pflegekraft (Pat/P) und PK nach Zentrum, Schicht und Wochentag über einen Zeitraum von fünf Monaten hinsichtlich Erfüllungsgrad der QFR-RL bzw. der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) ausgewertet. Zusätzlich wurden geburtshilflich anstehende FG erfasst und mit der vorhandenen, freien pPK abgeglichen.

Ergebnisse:

Die QFR-RL konnte in 88% der Schichten (n = 1584) erfüllt werden. Lediglich ein Zentrum konnte die vorgegebenen 95% Schichterfüllungsquote erreichen. Hierbei nahm der Erfüllungsgrad von Früh- über Spät- zu Nachtdienst kontinuierlich ab (p<.001). Analog verhielt sich die Zahl der eingesetzten Pflegekräfte sowie die freie pPK, während Pat/P zunahm (p jeweils <0.001).

An zwei Zentren mit annähernd gleicher GBA-Erfüllungsquote (p = 0.147) zeigte sich ein deutlicher Unterschied bzgl. der Pat/P (p<0.001).

Im Gegensatz zur Gruppe der 1:2-Versorgten (p = 0.530) lag der Anteil der 1:1-versorgten FG in den Zentren bei Nichterfüllung der Vorgaben signifikant höher als bei Erfüllung (p<0.001).

Von den anstehenden FG hätten lediglich 14,1% unter Einhaltung der Personalvorgaben versorgt werden können.

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Abb. 1
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Abb. 2

Schlussfolgerungen:

Drei der vier PNZ konnten die QFR-RL nicht erfüllen. Insbesondere in den Nachtschichten war die pPK unzureichend. Die Diktion zur 1:1-Versorgung stellte den wesentlichen Faktor dar, der zu Unterschreitung der Vorgaben und zahlenmäßig schlechterer Versorgung der übrigen Intensivpatienten führte. Der Erfüllungsgrad bzgl. der DGPM-Empfehlungen lag hierbei nochmals deutlich niedriger, was ebenfalls auf eine schlechtere personelle Betreuung dieser Patientengruppe hinweist. Freie pPK war selten vorhanden, was eine Versorgung selbst eines geringen Anteils der anstehenden FG unter Einhaltung der Personalvorgaben des G-BA ausschließt.

Statistisch kann erstmals an einem großen Kollektiv gezeigt werden, dass aufgrund der aktuellen G-BA-Vorgaben selbst an einem der größten Verbund-PNZ die deutlich angespannte Personalsituation es nicht zulässt, entsprechende Richtlinienvorgaben bei gleichzeitiger Versorgung anderer Patientengruppen zu erfüllen. Realisierbarkeit, Praktikabilität, Nutzen und Aussagekraft der QFR-RL müssen daher klar hinterfragt, wissenschaftlich exakt evaluiert und weiter analysiert werden.