Z Geburtshilfe Neonatol 2019; 223(S 01): E10
DOI: 10.1055/s-0039-3401092
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Screening für Peripartale Depression – Sinnvoll – Machbar – Auch in der Geburtshilfe?

S Simen
1   Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Nürnberg, Deutschland
,
S Rauber
2   Klinik Hallerwiese Cnopfsche Kinderklinik, Abteilung für Geburtshilfe und Pränatalmedizin, Nürnberg, Deutschland
,
S Schwab
1   Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Nürnberg, Deutschland
,
F Kainer
2   Klinik Hallerwiese Cnopfsche Kinderklinik, Abteilung für Geburtshilfe und Pränatalmedizin, Nürnberg, Deutschland
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Publication History

Publication Date:
27 November 2019 (online)

 

Einleitung:

Postpartale depressive Erkrankungen finden sich bei 10 – 20% aller Entbundenen. Diese können unbehandelt chronifizieren und zu kindlichen Entwicklungsstörungen führen. Außerdem sind sie durch Suizidalität für ca. 15% aller mütterlichen Todesfälle im ersten Jahr postpartum verantwortlich. Die häufig schon präpartal bestehende Erkrankung kann die Geburt negativ beeinflussen und umgekehrt durch ein negatives Geburtserleben verstärkt werden. Einen besonderen Risikofaktor stellen die Folgen kindlicher Traumatisierung dar, an denen 10 – 30% der Schwangeren leiden. Ist ein präpartales Screening sinnvoll?

Methode:

In unserer Geburtshilfe werden seit 2009 zunehmend pro Jahr ca. 20 – 30 Geburten in enger Zusammenarbeit mit der Peripartalpsychiatrie durchgeführt. Wie sich eine als belastet erlebte Schwangerschaft und die Folgen kindlicher Traumatisierung auf das Erleben der Geburt und die postpartale Psychopathologie auswirken und welche Interventionen helfen können, soll an Beispielen aus der Praxis und ersten Ergebnissen einer noch laufenden Studie dargestellt werden.

Ergebnis:

Psychiatrisch: Das Erleben der Schwangerschaft ist ein wesentlicher modulierender Faktor – sowohl für das Geburtserleben als auch für die Häufigkeit und Schwere der postpartalen Depression. Das gilt ganz besonders für Frauen mit Traumatisierung in der Kindheit und Jugend. Diese erleben die Schwangerschaft und Geburt signifikant häufiger als belastend und erkranken signifikant häufiger und schwerer an postpartalen Depressionen als Frauen ohne Trauma. Wird die Gewalterfahrung in der Vorgeschichte erkannt, kann durch eine traumasensible Geburtsvorbereitung und Begleitung während der Geburt eine Retraumatisierung mit all ihren Folgen verhindert und das Risiko einer postpartalen Depression gemindert werden.

Geburtshilflich: Gerade psychisch belastete Patientinnen können durch Kommunikationsfallen unter der Geburt folgenreich dekompensieren. Dies bindet Personal und kann die Geburt für alle Beteiligte belastend und traumatisierend machen. Ist die Belastung bekannt und sind alle Beteiligten informiert, kann die Geburt auch zu einem positiven/“schützenden“ Erlebnis für die Patientin und die Arbeit in der Geburtshilfe deutlich erleichtert werden.

Diskussion:

Psychische Erkrankungen stellen einen Risikofaktor für ein negatives Geburtserleben und postpartale Depressionen dar. Daher halten wir ein Screening in jeder Schwangerschaft mit dem EPDS (Edinburgh Postnatal Depression Scale) Plus für sinnvoll und notwendig. Solch ein Vorgehen würde eine gezielte traumasensible Geburtsvorbereitung, Begleitung durch die Geburt und in Kooperation mit der Psychiatrie ein frühzeitiges Erkennen und Behandeln von postpartalen Depressionen ermöglichen. Auch dem Geburtshelfer ermöglicht die Kooperation Kommunikationsfallen zu vermeiden, Geburtskomplikationen zu reduzieren und so zeit- und personalschonend zu arbeiten.