Z Geburtshilfe Neonatol 2019; 223(S 01): E31-E32
DOI: 10.1055/s-0039-3401140
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Versorgungskonzept Hebammenkreißsaal: Verbreitung, Nutzung und Erfahrungen am Beispiel Nordrhein-Westfalen

WM Merz
1   Universitätsklinikum Bonn, Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Bonn, Deutschland
,
A Kocks
2   Universitätsklinikum Bonn, Stab Pflegedirektion, Bonn, Deutschland
,
A Heep
1   Universitätsklinikum Bonn, Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Bonn, Deutschland
,
S Tietjen
1   Universitätsklinikum Bonn, Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Bonn, Deutschland
,
P Kandeepan
1   Universitätsklinikum Bonn, Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Bonn, Deutschland
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Publication History

Publication Date:
27 November 2019 (online)

 

Einleitung:

Das ergänzende Versorgungskonzept hebammengeleiteter Kreißsaal (HGK) wurde unter der wissenschaftlichen Begleitung des Verbunds Hebammenforschung 2003 in Deutschland eingeführt. Es steht gesunden Schwangeren offen, für die eine unkomplizierte Geburt anzunehmen ist. Die Einrichtung eines HGK ist prinzipiell an geburtshilflichen Einrichtungen aller Versorgungsstufen möglich. Bisher hat das Konzept in Deutschland keine Verbreitung gefunden. Nur 18 geburtshilfliche Einrichtungen, davon sieben in Nordrhein-Westfalen (NRW), bieten dieses Betreuungsmodell an.

Ziel der Untersuchung war, Daten zur Nutzung der HGKs in NRW zu erheben und die Erfahrungen der Anwender sowohl bei der Implementierung als auch in der gelebten Praxis zu sammeln.

Material/Methoden:

Die Gewinnung quantitativer Daten erfolgte mittels Fragebogen, Telefoninterviews und Vergleich der für den HGK erstellten Dokumente. Es wurden formale Daten der beteiligten Institutionen (Versorgungslevel, Geburtenzahlen, Personalschlüssel, Dienstmodelle etc) erhoben.

Qualitative Daten wurden in einem Fragebogen und in einem Workshop gewonnen. Der zweite Fragebogen enthielt offene und geschlossene Fragen und wurde mittels Telefoninterview erhoben. Der thematische Schwerpunkt dieser Datenerhebung betraf die Erfahrungen der Anwender bei der Implementierung des Konzepts und in ihrer täglichen Arbeit.

Ergebnisse:

Alle sieben Einrichtungen in NRW mit HGK nahmen an der Studie teil. Je ein Arzt und eine Hebamme vertraten ihre Einrichtung.

In Kliniken, die das Versorgungskonzept anbieten, gebären durchschnittlich 3,4% aller Schwangeren hebammengeleitet. Dies entspricht ca. 0,3% aller Geburten in NRW.

Fünf Einrichtungen nutzten für die Implementierung den Praxisleitfaden des Verbunds Hebammenforschung, zwei Kliniken hatten das Konzept bereits zuvor eingeführt. Vorbereitungen betrafen institutionelle, organisatorische, inhaltliche und rechtliche Bereiche. Während der Vorbereitungsphase äußerten mehrere Berufsgruppen Bedenken.

Die tägliche Arbeit im HGK wurde von Ärzten und Hebammen positiv bewertet, ein Team-Effekt wurde beobachtet, mit „Spill-over“ in das ärztlich geleitete Kreißsaalmodell. Die Arbeitszufriedenheit der Hebammen stieg. Die Umsetzung einer Eins-zu-Eins Betreuung wurde teilweise als schwierig berichtet, hauptsächlich aufgrund der Personalknappheit.

Diskussion:

Das Versorgungskonzept wurde in NRW erfolgreich an Krankenhäusern aller Versorgungsstufen eingerichtet. Es ist daher anzunehmen, dass die Gründe für die geringe Verbreitung nicht auf Schwierigkeiten bei seiner Umsetzung zurückzuführen sind. In Einrichtungen mit HGK haben nur 3,4% der Frauen hebammengeleitet geboren. Mögliche Erklärungen für die mangelnde Verbreitung und Nutzung des Versorgungskonzepts in NRW sind (1) die geringe Anzahl geeigneter Schwangerer; (2) die mangelnde Kenntnis der Anbieter und/oder der Schwangeren von dem Konzept; (3) ein mangelndes Interesse Schwangerer an einer hebammengeleiteten Geburt.