Z Geburtshilfe Neonatol 2019; 223(S 01): E33
DOI: 10.1055/s-0039-3401143
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die geburtshilfliche Betreuung und Begleitung von Frauen mit Fluchterfahrung in Deutschland – Einblicke in das professionelle Handeln der geburtshilflichen AkteurInnen

A Kasper
1   Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Lippstadt, Deutschland
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Publication Date:
27 November 2019 (online)

 

Einleitung:

Weltweit sind über 70 Mio. Menschen auf der Flucht. Etwa 1/3 der in Deutschland schutzsuchenden Menschen sind weiblich. Ca. 50% dieser Frauen befindet sich aktuell im gebärfähigen Alter. Frauen mit Fluchterfahrung in der Phase des Mutterwerdens weisen nicht nur aufgrund ihrer Schwangerschaft einen besonderen Versorgungsbedarf auf. Erfahrungen und Erlebnisse im Zusammenhang mit dem Fluchtprozess, können eine zusätzliche physische und psycho-soziale Belastung in der besonderen Lebensphase darstellen. Die AkteurInnen der geburtshilflichen Versorgung unterstützen und beobachten die physiologischen Prozesse des Mutterwerdens, um einen komplikationslosen Übergang zur Mutterschaft zu ermöglichen. Ziel des Dissertationsprojekts ist es, die maternale und geburtshilfliche Versorgung von Frauen mit Fluchterfahrung in Deutschland abzubilden. Dabei sollen Herausforderungen und Lösungsansätze, die sich für geburtshilfliche AkteurInnen in der Begleitung von Frauen mit Fluchterfahrung unter Berücksichtigung ihrer besonderen Problemkonstellation ergeben beleuchtet werden.

Material/Methode:

Mithilfe problemzentrierter ExpertInnen-Interviews werden geburtshilfliche AkteurInnen (GynäkologInnen, Hebammen und Familienhebammen) im ambulanten und stationären Setting zu ihren Erfahrungen in der Betreuung von Frauen mit Fluchterfahrung befragt. Dem qualitativen Studienansatz folgend werden die Interviews inhaltlich-strukturierend mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet.

Ergebnisse:

Dieses Projekt kann einen Einblick in das professionelle Handeln der geburtshilflichen AkteurInnen liefern sowie die Umsetzung der Konzepte des professionellen Handelns bei der Betreuung von Frauen mit Fluchterfahrung beleuchten. Episoden aus dem beruflichen Handlungsfeld, die sowohl die Handlungsorientierungen als auch die Entscheidungskriterien sollen aufgezeigt werden. Von besonderer Relevanz ist dabei die Bewältigung von Herausforderungen und Konflikten sowie das praktische Erfahrungswissen, dass sich in (wiederholten) Handlungsabläufen und Interaktionen wiederspiegelt. Herausforderungen ergeben sich z.B. der Anamneseerhebung durch die eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten oder der Durchführung von Untersuchungen, bei denen es keine oder nur wenig Privatsphäre gibt (z.B. in Sammelunterkünften). Hinzu kommen Veränderungen der Aufgaben und Tätigkeitsfelder, die nicht der originären geburtshilflichen Versorgung zuzuordnen sind, wie die Organisation von Übersetzungen und Transporten. Darüber hinaus sind geburtshilfliche AkteurInnen mit einem Mangel an Ressourcen (z.B. Übersetzer, Zeit) konfrontiert, der sie zwingt, Lösungen auf individueller Ebene zu finden.

Diskussion:

Durch das Identifizieren von Herausforderungen und bereits erarbeiteter Lösungsansätze im Rahmen einer effektiven Betreuung können Empfehlungen für die Versorgung von Frauen mit Fluchterfahrung in der Phase des Mutterwerdens formuliert und (weiter-)entwickelt werden.