Rofo 2020; 192(S 01): S118-S119
DOI: 10.1055/s-0040-1703474
Case-Report
Gastro- und Abdominaldiagnostik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das hepatoide Adenokarzinom des Pankreas – Morphologie in der MRT mit leberspezifischem Kontrastmittel.

C König
1   Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Radiologie, Hamburg
,
L Kaltheuner
2   Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Innere Medizin, Hamburg
,
R Ritzel
1   Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Radiologie, Hamburg
,
C Moritz
1   Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Radiologie, Hamburg
,
J Blaudszun
3   Institut für Hämatopathologie Hamburg
,
H Hauspurg
3   Institut für Hämatopathologie Hamburg
› Author Affiliations
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Publication Date:
21 April 2020 (online)

 

Einleitung Das hepatoide Adenokarzinom (HAC oder hepatoides Karzinom) ist eine seltene, aggressive Tumorentität mit schlechter Prognose. Es handelt sich um ein extrahepatisches Adenokarzinom mit histologischen und immunhistochemischen (Expression von AFP und HepPar1) Eigenschaften eines hepatocellulären Karzinoms (HCC) [1]. Als häufigste Lokalisation wird in der Literatur der Magen, gefolgt vom weiblichen Genital angegeben. Grundsätzlich kann diese Entität aber auch extraperitoneal, zum Beispiel in der Lunge auftreten. In einer Literaturübersicht aus 2019 wurde insgesamt über 36 Fälle eines pankreatischen HAC berichtet [2]. Ein diagnostisches Dilemma hinsichtlich der Differenzierung zwischen Primarius und Metastase kann dann entstehen, wenn parallel sowohl extrahepatische als auch hepatische Raumforderungen vorliegen.

Anamese Bei einem 75-jährigen männlichen Patient wurde in einer mehrphasigen Computertomografie eine hepatische Raumforderung im linken Leberlappen festgestellt und der Verdacht auf Lymphknotenkonglomerat um den Truncus coeliacus gestellt. Klinisch bestand eine chronische Hepatitis C mit aktuell hoher Viruslast und ein Z.n. Hepatitis-B-Infektion, eine geringe B-Symptomatik mit Nachtschweiß ohne Fieber bzw. Gewichtsverlust sowie unspezifische Oberbauchbeschwerden. Eine transgastral durchgeführte immunhistochemische Untersuchung des coeliacalen Lymphknotenkonglomerats erbrachte das Ergebnis eines hepatisch und epithelial differenzierten Tumors (positiv für CK8, CK18, CK 19, AFP und HepPar1). Es wurde klinisch-pathologisch der Verdacht auf ein HCC mit Lymphknotenmetastasen geäußert. Er wurde daraufhin unserer Onkologie zur weiteren Diagnostik und Therapie zugewiesen. Laborchemisch zeigten sich leicht erhöhte Leberwerte mit GOT 65 U/l [10-50 U/l] und GPT 76 U/l [10-50 U/l] sowie eine leicht erhöhte LDH 262 U/l [<250 U/l]. Das AFP im Serum war mit 512 ng/ml stark erhöht [<7ngml]. Aufgrund der bei uns nicht eindeutigen Zuordnung des CT-Befundes zu einem HCC wurde zur Differenzierung der Leberraumforderung gegen ein HCC eine MRT mit leberspezifischem Kontrastmittel (Primovist ®) durchgeführt. Die Leberraumforderung zeigte keine HCC-typische früharterielle Hypervaskularisation [3], es konnten aber im Leberparenchym neben der Raumforderung im linken Leberlappen zahlreiche Herde unter 5mm Durchmesser mit fehlender zellulärer Aufnahme von Primovist nachgewiesen werden. Die vermuteten Lymphknoten um den Truncus coeliacus zeigten sich als Konglomerat bzw. zusammenhängender Tumor ebenfalls ohne Affinität zu Primovist. Dieser konnte anatomisch vom Magen aber nicht vom Pankreas abgegrenzt werden. Er zeigte eine niedrige Diffusionskapazität, war in T2w gering signalreicher als Lebergewebe, muskelisointens in T1w, mit nur moderatem, randständig betontem Kontrastmittelenhancement. Zudem zeigten sich begleitende pathologische vergrößerte retroperitoneale paracavale und paraaortale Lymphknoten in Höhe des Abganges des Truncus coeliacius. Im vorliegenden Kontext des nicht HCC-typischen Befundes in der MRT, dem Ergebnis der zytologischen Untersuchung und der fehlenden Abgrenzbarkeit des coelicalen Tumors vom Pankreas wurde radiologisch der Verdacht auf eine HAC mit hepatischer und lymphogener Metastasierung gestellt. Um dies abschließend pathologisch zu bestätigen, wurde eine sonografisch gesteuerte Stanzbiopsie des Tumors durchgeführt. Dies ergab abschließend das Ergebnis eines HAC, das aber auch pathologisch nur in Kombination mit der MRT dem Pankreas zugeordnet werden konnte. Nach interdisziplinärer Diskussion des Falles in einer Tumorkonferenz wurde eine Chemotherapie durchgeführt. Es konnte eine im CT nachgewiesene stabile Tumorsituation über 4 Monate erreicht werden. Nach 6 Monaten kam es aufgrund einer vom Patienten, aus persönlichen Gründen gewünschten Therapiepause zu einem klinischen und radiologischen Tumorprogress. Auf Wunsch des Patienten wurde die Chemotherapie beendet und eine palliative Therapie (Best supportive care) eingeleitet.

Diskussion Die alleinige histologische Zuordnung eines Tumors kann insbesondere dann schwierig sein, wenn sich Tumorentitäten CT-/MR-morphologisch und immunhistochemisch überschneidend ähneln. Dies gilt insbesondere für Organe die häufige Lokalisationen einer Fernmetastasierung darstellen (Lunge/Leber). Im vorliegenden Fall konnte mit der dynamischen MRT mit leberspezifischem Kontrastmittel der klinisch-pathologische Verdacht auf ein lymphogen metastasiertes HCC relativiert werden. Stattdessen wurde eine diffuse Lebermetastasierung nachgewiesen, die den Verdacht auf eine primär extrahepatische Tumorentität mit hepatischer Differenzierung entstehen ließ, der histopathologisch abschließend bestätigt werden konnte. Aufgrund der geringen Prävalenz des HAC wurden bisher keine validen Daten über dessen Morphologie in CT und MRT publiziert [4]. Insbesondere die Morphologe im MRT in Verbindung mit einem leberspezifischem Kontrastmittel ist bisher nicht publiziert. Da lediglich eine immunhistochemische Differenzierung und kein hepatozytenspezifischer Stoffwechsel vorliegen, ist eine Aufnahme von leberspezifischen Kontrastmitteln (wie auch in unserem Fall) bzw. ein Erkenntnisgewinn durch dessen Verwendung nicht zu erwarten. Die Erstbeschreibung eines HAC erfolgte 1970 [5] und wurde erst von Ishikura später benannt [6]. 84% aller HAC entstehen im Magen. Dies wird auf die gemeinsame embryonale Entwicklung von Magen und Leber aus dem Vorderdarm zurückgeführt. Die meisten HAC entstehen bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen [7]. Die hepatoide Differenzierung der Tumore ist nicht zweifelsfrei für alle Organe belegt. Im Pankreas konnte dies im Tiermodel durch kupferarme-Diät mit nachfolgender Kupfer-Substitution induziert werden. Auf der anderen Seite können Vorläuferzellen vorliegen, die sich in Hepatozyten oder Pankreaszellen differenzieren können. Im Weiteren scheint auch eine Transdifferenzierung von Azinuszellen oder anderen ausdifferenzierten Zellen möglich [8]. Die entscheidende Aufgabe der CT und MRT im vorliegenden Fall war neben dem Zurückstellen der Diagnose eines lebereigenen Tumors, eine Zuordnung des Tumors zu einem Organ. Die abschließende pathologisch-anatomisch-radiologische Zuordnung war insgesamt eine interdisziplinäre Herausforderung zwischen bildgebender Diagnostik und Histopathologie bzw. Immunhistochemie. Angelehnt an diese Zuordnung (im vorliegenden Fall HAC), konnte dann ein empirisches onkologisches Therapiekonzept festgelegt werden, da aufgrund der geringen Datenlage keine Expertenempfehlungen oder gar Leitlinien vorlagen.

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Fig. 1
 
  • Quellen

  • 1 Fischer HP, Goltz D. Hepatozelluläre Karzinome und leberzellähnliche Tumoren. Pathologe 2019; 40: 101-118 .
  • 2 Yang C. et al. Primary Hepatoid Carcinoma of the Pancreas: A Clinicopathological Study of 3 Cases With Review of Additional 31 Cases in the Literature. Int J Surg Pathol. 2019; Feb; 27 (01) : 28-42 .
  • 3 Choi B.I. . Radiology Illustraded: Hepatobiliary and Pancreatic Radiology. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2014 .
  • 4 Chang MY. et al. CT features of hepatic metastases from hepatoid adenocarcinoma, Abdom Radiol (NY). 2017 Oct; 42. (10) :.
  • 5 Bourreille J. et al. Existence of alpha feto protein during gastric-origin secondary cancer of the liver. Presse Med. 1970; 78: 1277-8 .
  • 6 Ishikura H. et al. Hepatoid adenocarcinomas of the stomach: An analysis of seven cases. Cancer. 1986; 58: 119-26 .
  • 7 Levy AN. et al. Hepatoid Adenocarcinoma of the Rectum With Liver Metastasis in a Patient With Ulcerative Colitis. ACG Case Rep J. 2019 May 17; 6. (5).
  • 8 Jung JY. et al. Hepatoid Carcinoma of the Pancreas Combined with Neuroendocrine Carcinoma. Gut Liver. 2010; Mar; 4 (01) : 98-102 .