Z Orthop Unfall 2020; 158(S 01): S75-S76
DOI: 10.1055/s-0040-1717352
Vortrag
DKOU20-335 Grundlagenforschung>29. Biomaterialien und Implantate

Eine antibakterielle Hybridoberfläche: Zyto- und Biokompatibilitätsuntersuchung

Viviane Ständert
*   = präsentierender Autor
1   Charité-Universitätsmedizin Berlin, Julius Wolff Institut, Berlin
,
Nicole Bormann
1   Charité-Universitätsmedizin Berlin, Julius Wolff Institut, Berlin
,
Linda Gätjen
2   Fraunhofer-Institut IFAM, Bremen
,
Uwe Specht
2   Fraunhofer-Institut IFAM, Bremen
,
Dirk Salz
2   Fraunhofer-Institut IFAM, Bremen
,
Ingo Grunwald
3   Hochschule Bremen, Bremen
,
Kai Borcherding
2   Fraunhofer-Institut IFAM, Bremen
,
Britt Wildemann
4   Universitätsklinikum Jena, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Experimentelle Unfallchirurgie, Jena
› Author Affiliations
 

Fragestellung Implantatassoziierte Infektionen sind noch immer eine schwerwiegende Komplikation in der Orthopädie. Durch Optimierung von Oberflächeneigenschaften sowie der lokalen Antibiotikagabe kann die ossäre Materialintegration unterstützt werden, während die Bakterienadhäsion gehemmt wird. Es wurde eine poröse Titanoberfläche zur individuellen präoperativen Beladung mit antimikrobiellen Substanzen entwickelt und in vitro sowie in vivo untersucht.

Methodik Die Oberfläche von Titan-Drähten wurde durch Laserstrukturierung modifiziert (Q-switched Nd:YAG-Laser, Lamda = 1064 nm). Zusätzlich erfolgte eine Beschichtung mittels physikalischer Gasphasenabscheidung bestehend aus Silberpartikeln, welche in Titandioxid eingebettet sind. Die Drähte wurden durch Eintauchen in eine Gentamicin Lösung beladen. Der Gentamicin- und Silbergehalt sowie die Freisetzung wurden direkt und durch mikrobiologische Analysen bestimmt. Primäre humane osteoblastenähnliche Zellen wurden für die Untersuchung der Zytokompatibilität verwendet (n = 6/Gruppe). In einem Osteointegrationsmodell in der Ratte (G0072/18) wurde die Biokompatibilität der Oberflächen bewertet. Den Tieren wurden

Titan-Drähte (1. Titanimplantat, 2. modifizierte Oberfläche - Poren und Silber, 3. Hybridoberfläche - modifizierte Oberfläche mit Gentamicin, n = 8 Ratten/Gruppe) in das Femur implantiert und die Integration durch mechanische Push-Out-Tests und Histologie nach 8 Wochen analysiert. Statistik: Kruskal-Wallis, Dunn’s.

Ergebnisse und Schlussfolgerung Durch die Laserstrukturierung bildeten sich offene Poren (70-160 µm Länge und 40-70 µm Breite). Die Gentamicin-Beladung (Base) betrug nach dem Eintauchen 430 µg/cm2. Vier µg/cm2 Silber wurden in partikulärer Form fest in die Titandioxidbeschichtung eingebettet. Nach 15 Minuten war Gentamicin fast vollständig freigesetzt, während die Silberfreisetzung über Tage hinweg erfolgte. Die Elutionsproben konnten das Wachstum von S. aureus hemmen. Die Osteoblasten zeigten keine veränderte metabolische Aktivität (Tag 3) oder Differenzierung (Tag 21) aufgrund der Laserstruktur oder des Gentamicins. Die Tierstudie zeigte eine gute Biokompatibilität der modifizierten Oberflächen. Im mechanischen Test zeigte sich eine signifikant bessere Osteointegration der Titan-Drähte mit modifizierter Oberfläche und der Hybridoberfläche (mit Gentamicin) im Vergleich zu den reinen Titan-Drähten. Dies wurde durch einen signifikant höheren direkten Knochen-Implantat-Kontakt in der Histologie bestätigt. Titanimplantate, beziehungsweise deren Oberflächen, sind mit dem Verfahren gezielt modifizierbar. Die entstehenden Poren können nach klinischem Bedarf mit Antibiotika beladen werden. Durch die schnelle Gentamicinfreisetzung ist die Oberfläche vor Bakterienbesiedlung geschützt ohne die Zytokompatibilität und Osteointegration zu beeinträchtigen. Dieser Ansatz ermöglicht die Herstellung von orthopädischen Implantaten mit einer Oberflächenmodifikation, welche eine Beladung mit dem Antibiotikum unmittelbar vor der Implantation ermöglicht.

Stichwörter Implantate; Oberflächenstrukurierung; Zytokompatibilität; Biokompatibilität



Publication History

Article published online:
15 October 2020

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