Z Orthop Unfall 2020; 158(S 01): S89
DOI: 10.1055/s-0040-1717381
Vortrag
DKOU20-410 Schwerpunktthemen>10. Konservative Verfahren: Standards, Chancen und Grenzen

Klinisches und funktionelles Outcome konservativ behandelter proximaler, ischiocruraler Sehnenrupturen

ML Steinke
*   präsentierender Autor
1   Berufsgenossenschaftliches Klinikum Bergmannstrost gGmbH, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Halle (Saale)
,
M Heinecke
2   Waldkliniken Eisenberg, Deutsches Zentrum für Orthopädie, Eisenberg
,
P Schenk
3   Universitätsklinikum Jena, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Jena
,
V Schütte
1   Berufsgenossenschaftliches Klinikum Bergmannstrost gGmbH, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Halle (Saale)
,
GO Hofmann
1   Berufsgenossenschaftliches Klinikum Bergmannstrost gGmbH, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Halle (Saale)
,
T Mendel
1   Berufsgenossenschaftliches Klinikum Bergmannstrost gGmbH, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Halle (Saale)
› Author Affiliations
 

Fragestellung Die proximale Sehnenruptur der ischiocruralen Muskulatur (ICM) ist eine seltene Verletzung mit zunehmender Häufigkeit, die jedoch in vielen Fällen erst verspätet diagnostiziert wird. Werden die proximalen Sehnenrupturen nicht rechtzeitig erkannt und adäquat therapiert, führen sie zu einer eingeschränkten Lebensqualität der betroffenen Patienten. Betrachtet man die Literatur, hat sich die operative Therapie in den letzten Jahren als Methode der Wahl entwickelt. Arbeiten über das Outcome dieser Patienten nach konservativer Behandlung sind rar und beinhalten nur geringe Stichprobenumfänge. Ziel dieser Studie ist die Darstellung des Outcomes der bislang größten, konservativ behandelten Patientenpopulation anhand klinischer, funktioneller und objektiver Ergebnisse.

Methodik Im Rahmen einer retrospektiven Beobachtungsstudie wurden 31 konservativ behandelte Patienten (Alter: ø58±7 Jahre; n = 21 weiblich, n = 10 männlich) ø2,5±1,5 Jahre nach Verletzung mit Partial- (n = 11) oder Komplettrupturen (n = 20) der ICM untersucht und miteinander verglichen. Erhoben wurden die Schmerzen in Ruhe (VAS 0-10), die Zufriedenheit (VAS 0-10) mit der Therapie, die Aktivität (VAS 0-10) sowie der LEFS (Lower Extremity Functional Scale) und der PHAT (Perth Hamstring Assessment Tool). Zudem wurden isokinetische Kraftmessungen am Biodex für Flexion und Extension (60°/s) durchgeführt und die Kraft in Relation zur gesunden Seite sowie das Kräfte-Verhältnis aus Flexion und Extension (H/Q-ratio) berechnet. An statistischen Verfahren kamen verteilungsadäquate Tests für gepaarte und ungepaarte Stichproben zur Anwendung.

Ergebnisse und Schlussfolgerung Nach Analyse der Fragebögen und Kraftmessungen ergaben sich folgende Werte: Schmerz ø2,3±2,3; Zufriedenheit ø7,6±2,6; Aktivität ø4,9±2,0; LEFS ø51±19 von 80 und PHAT ø61±23 von 100. Verglichen mit dem unverletzten Bein zeigte die verletzte Seite eine Kraftminderung auf 82±22 % in Flexion (p < 0,001) und 93±30 % in Extension (p = 0,001). Die H/Q-ratio der verletzten Extremität (50±10 %) zeigte sich ebenfalls unterschiedlich (p = 0,017) zur gesunden Seite (56±10 %). Beim Vergleich der beiden Verletzungstypen zeigten sich folgende Ergebnisse: Schmerz (p = 0,011; komplett: ø3,1±2,4; partial: ø1,0±1,6); Aktivität (p < 0,001; komplett: ø4,0±1,7; partial: ø6,5±1,7); LEFS (p = 0,012; komplett: ø45±20; partial: ø62±11); PHAT (p = 0,004; komplett: ø52±23; partial: ø76±14). Das Kraftdefizit des verletzten Beines im Vergleich zur unverletzten Seite war in Flexion für die Patienten mit Komplettruptur deutlicher ausgeprägter (p = 0,029; komplett: 74±23 %; partial: 93±16 %).

Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Erfolg einer konservativen Therapie vom Verletzungsausmaß abhängt. Im Literaturvergleich finden sich insbesondere bei Komplettrupturen bessere funktionelle Resultate nach operativer Therapie. Zusammenfassend lässt sich postulieren, dass ICM Partialrupturen von einer konservativen Behandlung mit gutem funktionellem Outcome profitieren.

Komplettrupturen sollten hingegen eher operativ versorgt werden.

Stichwörter Hamstrings, ischiocrurale Muskulatur, Sehnenruptur, konservative Therapie, Isokinetische Kraftmessung



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Article published online:
15 October 2020

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